Verstohlene Kuesse
bin, hätte ich schwören können, dass du ebenfalls gesagt hast, dass du mich liebst.« Er machte eine Pause und sah sie fragend an »Oder habe ich da immer noch halluziniert?«
»Nein.« Sie erwachte aus ihrer Erstarrung und stürzte auf ihn zu. »Nein, das hast du nicht.«
Sie schlang ihre Arme um seinen Hals und schmiegte sich selig an ihn. »Edison, ich liebe dich so sehr, dass es mir beinahe weh tut«, jubelte sie.
Er atmete zischend ein. »Ja«, pflichtete er ihr bei. »Es tut tatsächlich weh.«
»Gütiger Himmel, deine Wunde.« Sie ließ von ihm ab und stolperte entsetzt zurück. »Das tut wir wirklich Leid.«
Er grinste sie fröhlich an. »Mir nicht. Das war es durchaus wert. Jetzt bleibt mir das Schreiben deiner verdammten Referenz doch noch erspart.«
Am nächsten Morgen erschien der Kapitän der Goldenen Orchidee zum Rapport. Emma saß wie auf glühenden Kohlen in der Bibliothek, während der Mann Edison in dessen Arbeitszimmer erklärte, weshalb es zu einer derart verzögerten Rückkehr seines Schiffs gekommen war.
»Ich würde ihm wirklich gerne deutlich machen, wie viele Probleme ich seinetwegen hatte«, fauchte sie erbost, während sie sich schwungvoll Tee in eine Tasse goss.
»Sieh es doch einfach von der positiven Seite, meine Liebe.« Victoria sah sie über den Rand ihrer Lesebrille an. »Ohne Kapitän Fryes Probleme auf See hättest du Edison niemals kennengelernt.«
»Sind Sie sicher, dass Sie das als positiv ansehen, Madam?«
»Ich kann dir versichern«, antwortete Victoria in ruhigem Ton, »dass ich seit vielen Jahren nichts derart Positives mehr erlebt habe.«
Emma wurde warm ums Herz. »Ich bin so froh, dass Sie und Edison einander endlich nähergekommen sind, Madam.«
»In der Tat«, sagte Edison von der Tür her, »gibt es doch nicht Besseres als Diebstahl, Mord und Entführung, wenn man die Mitglieder einer Familie einander näher bringen will.«
Emma sprang von ihrem Stuhl. »Du solltest schon wieder im Bett liegen.«
»Beruhige dich, meine Liebe. Ich fühle mich hervorragend.« Trotzdem fuhr er zusammen, als er sich vom Türrahmen abstieß. »Oder zumindest fast.«
Frisch rasiert, in einem gestärkten weißen Hemd und blank polierten Stiefeln wirkte er elegant wie eh und je. Es war wirklich einfach ungerecht. Man hätte denken können, er hätte während der letzten beiden Tage nichts Anstrengenderes getan, als in seinem Club in der St. James Street Zeitung zu lesen, dachte sie.
»Nun«, fragte sie kämpferisch, »was hat Kapitän Frye zu seiner Rechtfertigung gesagt?«
»Die Goldene Orchidee wurde von ihrem Kurs abgetrieben, trieb dann mehrere Tage ohne Wind für die Segel auf dem Meer und war anschließend gezwungen, einen außerplanmäßigen Hafen anzulaufen, da die Lebensmittel und das Wasser zu knapp geworden waren.«
Emma kreuzte die Arme vor der Brust. »Ich hätte dem Kapitän gerne persönlich erklärt, was für eine endlose Reihe von Schwierigkeiten ich seinetwegen gehabt habe.« Edison nahm die Tasse Tee entgegen, die Victoria ihm eingefüllt hatte. »Frye hat mir versichert, dass der Wert seiner Ladung die Investoren mit jeder Ungemach, die sie seinetwegen hatten, mehr als nur versöhnen wird. In der Tat übertrifft er sogar meine Erwartungen.«
Emma beschloss, dass sie Frye am Ende doch eventuell nicht ganz so böse war. »Das sind wunderbare Neuigkeiten. Ich muss sofort an meine Schwester schreiben«, erklärte sie leicht besänftigt.
»Ich freue mich schon darauf, sie kennen zu lernen«, meinte Edison.
»Ich mich auch«, murmelte Victoria. »Es wird sicher sehr unterhaltsam, eine junge Dame in die Gesellschaft einzuführen. Eine vollkommen neue Erfahrung für mich.«
Edison zog die Brauen hoch. »Falls Daphne Emma auch nur etwas ähnlich ist, wird es sicher eine Erfahrung, die du nie vergisst.« Er stellte seine Tasse ab. »Wenn ihr mich jetzt bitte entschuldigen würdet, ich muss noch mal fort.«
»Was in aller Welt redest du da?«, fragte Emma empört. »Du hast doch wohl sicher nicht die Absicht, mit deinen Geschäften fortzufahren, als wäre nichts geschehen. Du brauchst Ruhe, Edison.«
Als er sie anblickte, bemerkte sie, dass die Fröhlichkeit in seinem Blick einer ernsten Entschlossenheit gewichen war.
»Ich werde mich ausruhen, nachdem ich das Rätsel des verschwundenen Buches vollständig geklärt habe.«
»Vollständig geklärt?« Einen Moment sah sie ihn ratlos an, ehe ihr dämmerte, wovon er sprach. »Oh ja, du hast gesagt, du
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