Verstohlene Kuesse
geglaubt, Sie könnten die Rezepte im Buch der Geheimnisse entschlüsseln?« Edison starrte ihn ungläubig an.
»Natürlich habe ich das geglaubt.« Ignatius sah ihn mit einem kalten Lächeln an. »Wenn Farrell Blue die Rezepte entschlüsseln konnte, hätte ich es ohne jeden Zweifel ebenfalls gekonnt. Ich bin doppelt so gelehrt wie er.«
»Und warum haben Sie ausgerechnet mich auf die Suche nach dem Buch geschickt?«
»Es war ein großes Risiko.« Ignatius verzog grimmig das Gesicht. »Aber Sie waren meine letzte Hoffnung. Sie waren der beste Vanzaschüler, den es jemals gab. Ich kenne Ihre Fähigkeiten besser als Sie selbst. Ich weiß, wie gefährlich Sie sein können. Aber ich dachte, dass das Risiko sich lohnt. Wissen Sie, schließlich hatte ich nichts mehr zu verlieren.«
»Sie haben die ganze Sache erst in Gang gesetzt.« Immer noch musterte Edison ihn völlig reglos. »Sie haben den Diebstahl des Buchs aus dem Tempel arrangiert. Aber wer auch immer von Ihnen dafür angeheuert worden war, hat Sie hintergangen, stimmt's?«
»Genau. Der Schweinehund hat das Buch heimlich an Farrell Blue verkauft. Meine Leute waren ihm dicht auf den Fersen, aber als sie in Rom ankamen, war Blue schon tot, und seine Villa lag in Schutt und Asche. Von dem Buch gab es nirgends auch nur die geringste Spur.«
»Höchstwahrscheinlich, weil es bei dem Brand in Flammen aufgegangen ist.«
Ignatius ballte eine bleiche Faust. »Das durfte ich einfach nicht glauben, denn es hätte bedeutet, dass ich jede Hoffnung fahren lassen muss.«
»Also haben sich Ihre Leute weiter in Rom umgehört, und schließlich wurde deutlich, dass mindestens eins der Rezepte tatsächlich entziffert worden war.«
»Gerüchte. Aber etwas anderes hatte ich nicht. Ich kam zu dem Schluss, dass das Feuer kein Unfall gewesen war, sondern dass es den Mord an Blue und den Diebstahl des Buches oder zumindest des Rezeptes verschleiern sollte.« Ignatius zuckte mit einer dünnen Schulter. »Aber ich wurde von Tag zu Tag schwächer, und so brauchte ich die Hilfe eines Menschen, der intelligent genug war, um die Suche für mich fortzuführen«, sagte er. »Sie um Hilfe zu bitten, war ein kalkuliertes Risiko, Edison. Aber ich war ein verzweifelter Mann.«
»Weshalb haben Sie Lady Ames umgebracht?«, mischte sich plötzlich Emma ein.
»Meine Zeit wurde immer knapper. Edison hatte mir gesagt, dass sie das Rezept hatte, aber er wollte die Strategie der Geduld anwenden, was unglücklicherweise ein Luxus war, den ich mir nicht mehr leisten konnte. Ich war mir sicher, dass sie das Buch entweder besitzt oder dass sie weiß, wo es zu finden ist. Also habe ich sie an dem Nachmittag aufgesucht, nachdem sie Sie zu sich gebeten hatte, meine Liebe.«
Edison blickte ihn fragend an. »Und sie hat Ihnen so einfach aufgemacht? Einem Fremden?«
Ignatius blasse Augen glitzerten. »Ich habe noch nicht all meine Fähigkeiten verloren, lieber Freund. Ich versichere Ihnen, die kleine Abenteurerin hat mich gar nicht kommen hören. Sie hat mich erst bemerkt, als ich ihr gegenübertrat und sie aufforderte, mir das Rezept und das Buch auszuhändigen.«
»Das Rezept hat sie Ihnen ja dann auch gegeben, aber das Buch hatte sie schließlich nicht.«
»Sie behauptet, es wäre bei dem Feuer in Farrell Blues Villa mit verbrannt, aber das habe ich ihr nicht geglaubt.« Ignatius erglühte vor Zorn, doch bereits nach wenigen Sekunden war er wieder kreidebleich. Sein dünner Körper zuckte, er rang nach Luft und brach in ersticktes Husten aus. »Ich wusste, dass sie log. Sie musste lügen. Das war meine einzige Chance.«
Emma sah, dass sich Edison anspannte, aber immer noch stand er reglos am Kamin.
Schließlich ebbte der grauenvolle Husten wieder ab. Ignatius zog ein schneeweißes Leinentaschentuch hervor und betupfte sich den Mund.
»Ich war mir vollkommen sicher, dass sie log. Ich gebe zu, dass ich einen Teil meiner Beherrschung verlor, als sie sich weigerte, es mir auszuhändigen.«
»Und in Ihrer Frustration und Ihrem Ärger haben Sie sie umgebracht. Dann haben Sie in der Hoffnung, das Buch doch noch zu finden, ihre Bibliothek durchsucht.«
»Genau.« Ignatius seufzte leise auf. »Die Bibliothek und das Schlafzimmer. Allerdings wurde ich in meiner Suche durch das Auftauchen von Basil Ware gestört, so dass ich das Rezept für das Elixier an mich nahm, mich in den Garten zurückzog und ihn beobachtete. Ware blieb nicht lange im Haus. Als er wieder auftauchte, ohne laut um Hilfe zu rufen, wurde
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