Verstohlene Kuesse
Edison.«
»Aus Ihrem Mund mutet eine solche Beschwerde eigenartig an, Madam. Soweit ich mich entsinne, haben Sie mir erst letzten Monat noch die heftigsten Vorwürfe gemacht, weil ich bisher noch keine passende Frau habe.«
Victoria blitzte ihn zornig an. » Passend ist das Schlüsselwort. Nach allem, was ich bisher gehört habe, ist deine Verlobte wohl kaum die passende Frau für jemanden wie dich.«
»Sie sind wohl kaum in der Position, sich diesbezüglich ein Urteil bilden zu können. Schließlich haben Sie sich noch gar nicht kennen gelernt.«
»Ich habe mehr als genug gehört, um daraus schließen zu können, dass du eine katastrophale Wahl getroffen hast.«
»Weshalb sagen Sie das?«, fragte Edison in gefährlich ruhigem Ton.
»Arabella zufolge war deine Miss Greyson, als du sie kennen gelernt hast, bei Lady Mayfield als Gesellschafterin angestellt. Ist das wahr?«
»Ja.«
»Unglaublich. Eine bezahlte Gesellschafterin? In deiner Position könntest du mit Leichtigkeit eine reiche Erbin an Land ziehen.«
»Ich weiß nicht, ob ich mir erlauben kann, derart wählerisch zu sein, Madam.« Edison setzte ein dünnes Lächeln auf.
»Wir dürfen nicht vergessen, dass ich selbst vielleicht auch nicht gerade als die allerbeste Partie gelte. Wie Sie sich vielleicht entsinnen, kam ich unehelich auf die Welt. Miss Greysons Abstammung hingegen ist durchaus ehrenwert.«
Victorias Augen sandten todbringende Blitze aus, aber sie schluckte den Köder nicht. »Außerdem wurde mir erzählt, dass der Grund dafür, dass du deine Verlobung mit Miss Greyson mitten in der Nacht bekannt gegeben hast, kein geringerer war als der, dass sie in Gefahr schwebte, des Mordes an Mr. Crane beschuldigt zu werden.«
»Dieser Faktor hat die Wahl des Zeitpunkts der Bekanntgabe unserer Verlobung tatsächlich mitbestimmt«, gab Edison ohne zu zögern zu.
»Alle, die auf Ware Castle waren, glauben, dass sie Crane tatsächlich umgebracht hat, dass du dich also, als wäre alles andere nicht genug, allen Ernstes mit einer Mörderin verlobt hast.«
»Selbst, wenn es so wäre, machte das für mich keinen großen Unterschied.« Edison zuckte mit den Schultern. »Crane hatte es verdient, dass er erschossen wurde.«
Victoria starrte ihn mit großen Augen an. »Wie kannst du es wagen, derart herablassend zu sein. Schließlich sprechen wir von dem grässlichen Mord an einem unschuldigen Mann.«
»Chilton Crane war niemand, den man unschuldig hätte nennen können.«
»Hast du vergessen, dass Mr. Crane bei sämtlichen Gentlemen der besseren Kreise in hohem Ansehen stand? Von Seiten seiner Mutter war er mit dem Marquis von Riverton verwandt.«
»Crane war ein durch und durch verschlagener Schwerenöter, der sich jungen Frauen aufgedrängt hat, die niemanden hatten, der sie vor seinen lüsternen Avancen hätte schützen können. Er hatte sich sozusagen auf Zimmermädchen, Gouvernanten und Gesellschafterinnen spezialisiert. Außerdem war er ein Spieler.« Edison machte eine Pause. »In der Tat hatte er offenbar mit meinem Vater einiges gemein.«
»Wie kannst du es wagen, so etwas zu behaupten?« Victorias Stimme wurde schrill vor Zorn. »Ich habe dir oft genug gesagt, dass Wesley sich deiner Mutter nicht aufgedrängt hat. Sie war eine närrische junge Frau, die sich mit einem verlobten Mann, der gesellschaftlich wesentlich höher stand als sie, eingelassen hat. Und dafür hat sie den gerechten Preis bezahlt.«
»Sie war tatsächlich närrisch«, pflichtete Edison ihr höflich bei. »Närrisch genug, meinem Vater zu glauben, als er behauptete, er liebe sie. Närrisch genug, ihm zu glauben, als er behauptete, er wäre frei, um sie zu heiraten. Närrisch genug zu denken, sie hätte es bei ihm mit einem Ehrenmann zu tun.«
»Vergiss nicht, dabei hat sie ihre eigene Ehre schamlos verkauft.«
Er umklammerte den Kaminsims und zwang sich ein schmales, fragendes Lächeln ins Gesicht. »Natürlich plaudere ich liebend gerne mit Ihnen über die Familiengeschichte, Madam. Aber ich muss Sie warnen, dass ich nicht so lange Zeit habe, denn um vier habe ich den nächsten Termin. Falls es also etwas gibt, worüber Sie heute Nachmittag mit mir sprechen möchten, fangen Sie vielleicht am besten sofort damit an.«
Victorias Mund war eine schmale, harte Linie. Edison beobachtete, wie sie ebenso sichtbar einatmete, wie er es wenige Sekunden zuvor getan hatte. Er fragte sich, ob sie, wenn er gegangen wäre, wieder in ihren Wintergarten zurückkehrte. Er selbst
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