Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Verstoßen: Thriller (German Edition)

Verstoßen: Thriller (German Edition)

Titel: Verstoßen: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Esther Verhoef , Berry Escober
Vom Netzwerk:
Carl. Ich musste mich extrem zusammenreißen, um
nicht laut zu kreischen. Ich bin in den Flur gerannt und hab losgeheult.«
    »Und Papa?«, fragte Susan. »Wie ist der denn damit umgegangen ?«
    »Er ließ keine Gelegenheit aus, mich daran zu erinnern, dass es alles meine Schuld sei. Ich hätte euch verraten, meinte er, aber in erster Linie ihn. Und ich wusste, dass sein Urteil nicht milder werden würde. Eher strenger.«
    Susan konnte sich lebhaft vorstellen, was das für ein Gefühl gewesen sein musste. Ein Geheimnis mit sich herumzutragen, war immer eine Belastung. Das wusste sie selbst nur zu gut. Anders als sie hatte Jeanny aber niemanden gehabt, der ihr beigestanden hätte. Sie war nicht nur gezwungen gewesen, alleine damit fertig zu werden, sondern hatte sich auch noch zur Wehr setzen müssen. Bestimmt hätte ihr Vater den Druck auf seine untreue Frau mit der Zeit noch verstärkt, da war sie sicher. Wenn er recht behalten wollte, konnte er schrecklich sein. War das der Grund gewesen? Der Grund, warum sie gegangen war?
    Nein. Es steckte noch mehr dahinter.
    »Aber das war nicht der Grund«, sagte Susan laut.
    Jeanny sah auf.
    »Warum du gegangen bist«, fügte sie zur Verdeutlichung hinzu. »Denn drei bis vier Jahre später wäre ich ja auch ausgezogen. So lange hättest du auch noch warten können. Du hattest doch schon jahrelang gewartet.«
    Jeanny wich ihrem forschenden Blick aus. »Du hast den gleichen analytischen Verstand wie dein Vater.«
    Susan hielt die Luft an. Steckte die Hände in die Taschen und ballte sie zu Fäusten.
    »Es war wegen Roger«, sagte Jeanny.
    »Roger?«
    Jeanny sah plötzlich angespannt aus. »Er war derjenige, der den Kontakt zur Stasi hielt. Roger füllte sich die Taschen damit,
dass er Menschen hin und her schob. Das hatte ich damals noch nicht kapiert. Erst später bin ich dahintergekommen. Er hatte ihnen erzählt, Carl sei nicht alleine abgehauen, sondern hätte mich mitgenommen. Damit hatte er im Grunde mein Todesurteil gefällt.«
    »Aber warum? War Roger nicht ein Freund von euch?«
    Jeanny gab ein Schnauben von sich. »Ein Freund? Nein, ein Freund war er nie. Er spielte mit uns, Susan, er beobachtete uns wie ein Wissenschaftler seine Fruchtfliegen. Ich hatte fast zwanzig Jahre Zeit, über seine Beweggründe nachzudenken, aber ich bin nur auf eine einzige Erklärung gestoßen: Er tat es, weil es in seiner Macht stand.«
    Der Hund gab ein kurzes Kläffen von sich. Mit aufgerichtetem Schwanz schaute er zu dem kleinen Gehöft hinüber. Das graue Steinhaus war aus dieser Höhe kaum mehr als ein vager Umriss in der Landschaft. Auch Jeanny schaute nun zu dem Haus, wobei sie mit der Hand die Augen abschirmte.
    »Erwartest du jemanden?«
    »Nein.«
    Im nächsten Augenblick wandte der Hund seine Aufmerksamkeit wieder den Schafen zu. Schwanzwedelnd lief er ihnen hügelaufwärts nach.
    »Wird wohl eine Katze gewesen sein. Oder der Postbote.« Jeanny trat den Rückweg nach unten an.
    Susan folgte ihr, wobei sie gut aufpasste, dass sie auf den zwischen Grasbüscheln verborgenen glatten Felsblöcken nicht ausrutschte. »Aber Roger muss doch gewusst haben, wie schwer es für dich werden würde. Und für uns.«
    Jeanny sah ihr direkt ins Gesicht. »Roger war in mich verliebt. Oder so etwas Ähnliches, was ihm wie Liebe vorkam. Vom ersten Tag an, als Geran ihn mit nach Hause brachte, machte er mir Avancen. Auf den ersten Blick war er ein gut aussehender Mann: sonnengebräunt, gepflegte Erscheinung. Aber mir graute
vor ihm. Roger war eine richtige Schlange. Man wusste nie, was in ihm vorging. Ich hielt ihn auf Abstand, und genau das wurmte ihn. Je mehr ich mich fernzuhalten versuchte, desto fanatischer wurde er. Allmählich fand ich es richtig bedrohlich. Zurückgewiesen zu werden, das konnte Roger einfach nicht akzeptieren. Ich habe das damals gleich gespürt. Aber ich habe es immer wieder verdrängt.«
    »Warum hat denn Papa nichts unternommen?«
    »Wenn der es gewusst hätte, hätte er Roger wahrscheinlich erschlagen.«
    »Du hättest es ihm sagen müssen.«
    Ohne darauf zu reagieren, begann Jeanny weiterzugehen. »An dem Abend, als die Sache mit Carl so aus dem Ruder gelaufen war, verhielt Roger sich auffällig still. Im Nachhinein denke ich, dass da wahrscheinlich irgendeine Sicherung bei ihm durchgebrannt ist. Ich glaube, er kam nicht darüber hinweg, dass er mehr oder weniger verloren, versagt hatte. So sah Roger die Dinge. So sah er Menschen. Roger betrachtete alles als Spiel und

Weitere Kostenlose Bücher