Verstoßen: Thriller (German Edition)
»Das Zeug wirkte. Wie Alain das hingekriegt hat, weiß ich nicht, aber die Gäule gingen ab wie nichts, kamen problemlos durch alle Dopingkontrollen und blieben obendrein gesund. Ich bekam zweitausend Euro im Monat in bar. Dafür musste ich die Pferde behandeln, mir entsprechende Notizen machen und sie an Alain weitergeben – das war alles. Es war eine Win-Win-Situation. Valerie konnte von dem Geld shoppen gehen. Wir konnten in Urlaub fahren. Und ich konnte bei den normalen Kunden immer mehr Löcher stopfen.«
»Wo hast du das Zeug denn herbekommen? Ich nehme an, dass sie es nicht einfach mit der Post geschickt haben.«
Sven blickte kurz zur Seite. »Einmal im Monat habe ich es abgeholt. In Paris.«
»In dieser alten Kaserne, oder was immer es war«, brummte Maier.
Sven nickte und schloss für einen Moment die Augen. »Tut mir leid«, sagte er mit dünner Stimme. »Es war mein einziger Anknüpfungspunkt. Ich hatte drauf gehofft, dass sie den Vertrieb immer noch von dort aus organisierten. Alain ist umgezogen, und ich habe keine Ahnung, wo er jetzt ist. Die letzten Male haben wir uns immer nur dort getroffen.«
Grimmig drückte Maier seine Zigarette im Spülbecken aus. Er wusste noch genau, wie Sven erst auf dem Périphérique und später auch in der Hauptstadt selbst mit dem Stadtplan herumhantiert hatte. Dabei hätte er den Weg in Wirklichkeit blindlings gefunden, nachdem er die Strecke schon so oft zurückgelegt hatte. Monatlich.
Svens Nervosität hatte von Anfang an etwas Doppelbödiges gehabt.
»Was ist schiefgegangen?«
»Nachdem ich das Zeug etwa ein Jahr lang eingesetzt hatte,
ist eins von den Pferden krank geworden. Der Eigentümer hat mich mitten in der Nacht telefonisch aus dem Bett geklingelt. Aber ich kam zu spät. Ich habe Blut- und Gewebeproben genommen und sie zu Hause unter das Mikroskop gelegt. Die Zellen waren total degeneriert. So was hatte ich noch nie gesehen. «
»Und was hat der Eigentümer getan?«
»Nichts. Er hat den Abdecker kommen lassen, und der Sache wurde nicht weiter nachgegangen.«
»Weil der Tierarzt Sven Nielsen gesagt hat, den Kadaver zu sezieren, sei nicht nötig.«
Sven verzog das Gesicht zu einer Grimasse. »Ja, ich musste mir den Mund fusselig reden. Ich hatte eine Heidenangst, es könnte herauskommen.«
»Dass du als Tierarzt, statt den Tieren wieder auf die Beine zu helfen, sie zu Tode behandelt hast?«
»Das wusste ich am Anfang nicht.«
»Aber dass die Möglichkeit bestand, wusstest du sehr wohl.«
Sven erbebte. »Ja. Das lässt sich nicht leugnen. Ich war auch nicht besonders stolz auf mich selbst. Ganz und gar nicht.«
Maier steckte sich noch eine Zigarette an. »Es blieb nämlich nicht bei diesem einen Pferd.«
»Das zweite war keine zwei Monate später dran«, sagte Sven resigniert. »Ich hab gedacht, ich drehe durch. Wieder Proben genommen, dasselbe Bild. Ich hab nachts kein Auge mehr zugetan, weil ich immer Angst hatte, dass wieder jemand wegen eines kranken oder toten Pferdes anrufen würde. Und irgendwann wäre jemand misstrauisch geworden und hätte darauf bestanden, dass die Todesursache von einem externen Experten festgestellt wird. Was dann über mich hereingebrochen wäre, will ich dir lieber nicht erzählen. … Mir war klar, dass wir aufhören mussten. Ich wollte sofort Schluss machen.«
»Aber davon wollte Alain nichts wissen.«
Sven grinste freudlos. »Alain meinte, wenn man das Mittel nicht länger als ein Jahr einsetzen würde, könnte nichts schiefgehen. Ein Jahr, eine Saison reichte in der Regel schon. Aber ich vertraute der Sache nicht mehr. Zumal ich das zweite Pferd mit eigenen Augen hatte sterben sehen, und es war kein Vergnügen. Das sind enorme Tiere. Da stirbt immer gleich so viel auf einmal. Das mit anzusehen, ist ein echtes Drama, kann ich dir sagen.«
»Vor allem, wenn man weiß, dass man selbst dran schuld ist.«
Sven starrte auf einen Punkt an der Wand. »Der Besitzer stand neben mir und heulte. Er hat mich angebettelt, ich sollte doch etwas tun, was auch immer, um das Tier wieder auf die Beine zu bringen – koste es, was es wolle. Und ich stand daneben und heulte mit, aber aus ganz anderen Gründen. Für mich stürzte eine Welt ein. Ich hatte Mitleid mit dem Pferd und auch mit seinem Besitzer, aber verdammt, ich hatte auch eine Heidenangst, dass die Sache ans Licht käme.«
Unvermittelt sah er Maier direkt ins Gesicht. »Diesen Privatleuten liegt das Wohl ihrer Pferde wirklich am Herzen. Und so hätte es bei mir
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