Verstrickung des Herzens
schätzen, weil er Osceolas Zorn niemals gespürt hatte. Nachdem der Häuptling von Wiley Thompson gedemütigt worden war, hatte der Indianeragent sein Leben verwirkt. Auch der kriegsmüde Charlie Emathla mußte sterben, weil er sich den Weißen ergeben und dadurch, in Osceolas Augen, sein Volk verraten hatte. Der mico kämpfte in winterlicher Kälte, in der grausamen Hitze des Sommers, in Regen und Wind, unter Blitz und Donner. Nun zeigten sich die Spuren dieses beschwerlichen Lebens.
»Mein Freund, ich bin gekommen, um dir mitzuteilen, daß ich einige Überlebende aus dem Otter-Clan zum Fort Brooke führen werde. Dieser Gruppe gehören keine Krieger an, nur müde Witwen, hungernde Kinder und alte, kranke Menschen.«
Bevor Osceola antwortete, starrte er eine Zeitlang in die Flammen. »General Jesup ist ein machtvoller Feind.«
»Trotzdem geriet er unter dem Druck der Politik und des unwegsamen Sumpfgebiets ins Wanken, wie so viele hartgesottene Männer, die sich zuvor hierhergewagt hatten.«
»Manche werden immer kämpfen. Und es gibt Krieger, die der weiße Feind niemals fangen kann. Aber einige wird er in den Tod treiben.« Osceola seufzte tief auf. »Offenbar glauben die Weißen, sie würden den Krieg siegreich beenden, wenn sie mich und die anderen Häuptlinge erledigen. Aber sie verstehen nicht, daß sie viele hundert Gegner bekämpfen.« Plötzlich verengten sich seine Augen. »Wie ich höre, plant Jesup eine Zangenbewegung, so wie General Winfield Scott.«
»Das würde einen Sinn ergeben.«
»Hast du von deinem Bruder irgendwelche Einzelheiten erfahren?«
»Das Militär mißtraut meinem Bruder und enthält ihm gewisse Informationen vor.«
Lächelnd neigte Osceola den Kopf. »Er hat sich dem weißen Heer noch immer nicht angeschlossen.«
»Niemals würde er gegen das Volk seiner Stiefmutter Krieg führen. Wenn man ihn angreift, würde er seine Frau, sein Kind und sein Heim verteidigen. Aber ich kenne keinen mico, der über meinen Bruder herfallen oder den Jarrett attackieren würde.«
»Ich glaube, ich kann dir etwas Neues erzählen. Wann hast du Jarrett zuletzt gesehen?«
Erschrocken runzelte James die Stirn. Fast zwei Wochen waren verstrichen, seit er sich von seinem Bruder getrennt hatte. In sicherem Abstand war er Jarrett, Teela und John nach Cimarron gefolgt und hatte sie mit Warren ins Haus gehen sehen. Von Jeeves erfuhr er, was sich im Speisezimmer abgespielt hatte.
Offenbar war es zu einem heftigen Streit gekommen. Teela schrie den Colonel an. Aber Jarrett, stets auf Manieren bedacht, brachte sie zum Schweigen. Harrington spielte seine Rolle perfekt und überzeugend — den verliebten jungen Mann, eifrig bestrebt, seine Zukünftige zu schützen. Und Tara zeigte sich charmant wie eh und je. Erstaunlicherweise durfte Warrens Tochter vorerst auf Cimarron bleiben.
Am späteren Abend ging James zu seinem Bruder in die Bibliothek und ließ ihn wissen, er sei über die Entwicklung der Dinge informiert. Sie nahmen noch einmal Abschied voneinander, und James besuchte Jennifer, bevor er im Wald verschwand.
Im sanften Kerzenschein sah er Teela vor ihrer Balkontür stehen. Nur mühsam widerstand er der Versuchung, in ihr Zimmer zu schleichen. Die Soldaten, die immer noch rings um Cimarron patrouillierten, fürchtete er nicht. Aber er wollte dem Heim seines Bruders etwaige Kämpfe ersparen.
Vor allem glaubte James, er könnte Teela nicht verlassen, wenn er sie noch einmal umarmen würde. Und so hatte er ein letztes Mal ihr schönes Gesicht und den wohlgeformten Körper im fließenden weißen Nachthemd betrachtet, ehe er schweren Herzens davongeritten war.
»Was ist meinem Bruder zugestoßen?« fragte er Osceola mit heiserer Stimme.
»Nichts. Aber Jesup hat seinem Heeresminister geschrieben und erklärt, man dürfe uns im südlichen Sumpfgebiet nicht mehr behelligen.«
»Ja, das weiß ich.«
»Nun hat er die Antwort erhalten. Wir sollen nach Westen getrieben werden. Wenn man uns in Ruhe ließe, könnten die Cherokees auf ihrer traurigen Reise ins westliche Ödland protestieren. Womöglich würden auch andere Krieger wieder zu den Waffen greifen. Deshalb wird der Krieg weitergehen.«
»Hast du etwas anderes erwartet?«
»Wir leben mit der Hoffnung, wir kämpfen für die Hoffnung. Welcher weiße Mann will sich denn im elenden, giftigen Sumpf niederlassen, wo uns die Soldaten so hartnäckig verfolgen?«
Müde zuckte James die Achseln.
»Vor kurzem fanden sogar in Cimarrons Nähe kleinere
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