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Versunkene Staedte

Versunkene Staedte

Titel: Versunkene Staedte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paolo Bacigalupi
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Nehmen. «
    Mouse lachte. » ›Geben und Nehmen‹. Gequirlter Quark. Das klingt nach der Lehre des Plünderergottes. «
    Â» Mahfouz ist nicht der Plünderergott. «
    Â» Trotzdem ist es Schwachsinn. Wenn es ein Gleichgewicht in der Welt gäbe, dann wären die Soldaten alle tot, und wir würden in den versunkenen Städten sitzen, mit Marmor, Stahl und Kupfer handeln und für jedes Kilo rote Chinesen scheffeln. Wenn es den Gott der Plünderer mit seiner Waage wirklich gäbe, dann wären sie tot, und wir wären reich. Und für die Hochwasserpriester gilt das noch mehr. Das ist alles ein Haufen Mist. Es gibt keine Gerechtigkeit in der Welt. «
    Â» Da kann ich nicht mitreden « , sagte Mahlia. » Meine Eltern waren keine Hochwasserchristen. «
    Â» Ach ja? Was beten die Chinesen denn eigentlich an? Buddhas? «
    Mahlia zuckte mit den Achseln. Ihr Vater schien vor allem Waffen und Schnaps anzubeten. Allerdings gab es in ihrer Wohnung auch ein Bildnis des Küchengottes. » Meine Mutter glaubte an den Gott der Plünderer « , sagte sie. » Wegen der vielen Antiquitäten, die sie verkaufte. Sie brachte ihm ständig Opfer dar, damit sie gute Stücke fand, die sie den Ausländern verkaufen konnte. « Sie stieg weiter hinab und hielt sich mit der linken Hand an den Eisenstäben fest. » Mach dir keine Sorgen wegen dem Essen. Wir behalten ein bisschen für uns selbst zurück, bevor wir dem Doc den Rest geben. «
    Â» Darauf kannst du wetten. Ich gehe nicht den ganzen Tag jagen, um dann mit knurrendem Magen dazusitzen, nur weil der Doc mal wieder alles verschenkt. «
    Â» Das habe ich doch gerade gesagt « , betonte Mahlia. » Mach dir keine Sorgen. Wegen Amaya werden wir nicht hungern. Hilfst du mir jetzt beim Jagen oder nicht? «
    Â» Ja. Okay. « Er ließ sich zu Boden fallen und blickte hoch. » Geh dich aber lieber erst mal waschen. Mit dem ganzen Blut siehst du aus wie eine Kriegsmade. «
    Mahlia sprang neben ihm zu Boden. Eine Wolke kleiner Betonbrocken kam von der Mauer herabgerieselt. » Ich bin eine Kriegsmade. «
    Â» Wenn du den Geruch nicht los wirst, bist du Futter für die Kojwölfe. «
    Mahlia streckte die Hand aus und wischte ihrerseits dem Jungen ein wenig Dreck aus dem Gesicht. » Für einen Läusefresser bist zu ziemlich pingelig, weißt du das? «
    Mouse spuckte aus. » Nur wenn’s drauf ankommt. «

5
    Ein Stück weit von Doktor Mahfouz’ Behausung entfernt begann der dichte Dschungel. Zwischen Banyanbäumen, Kudzu, Kiefern und Palmen wanden sich schmale Pfade. Der Arzt nannte es eine Landschaft im Wandel– früher hatte es hier ganz anders ausgesehen.
    Für Mahlia und Mouse war der Dschungel ein vertrauter Anblick– jede Menge Kletterpflanzen, Schlangen und Moskitos in brütender Hitze–, aber der Arzt behauptete, früher hätte es keine Sumpfpanther, Kojwölfe oder Pythons gegeben. Und auch keine Alligatoren. Diese wärmeliebenden Tiere waren erst hierher in den Norden gewandert, als die Winter deutlich wärmer geworden waren.
    Mahlia kam der Winter nicht besonders warm vor. In der dunklen Jahreszeit war ihr meistens ziemlich kalt. Aber der Arzt hatte erzählt, dass bis vor Kurzem im Winter noch stehendes Wasser gefroren und Eis vom Himmel gefallen war. Hätte Mahlia nicht in seinen modrigen Büchern Bilder davon gesehen, hätte sie es nicht geglaubt.
    Eis.
    Mahlia hatte in ihrem Leben schon ein paarmal Eis gegessen. Ihr Vater hatte sie in einen Offiziersclub der Friedenswächter mitgenommen, der Solargeneratoren besessen und über genügend Energie verfügt hatte, um solche luxuriösen Dinge herzustellen. Mahlia hatte versprechen müssen, Chinesisch zu reden und sich wie ein zivilisierter Mensch zu benehmen, und als Belohnung hatte ihr Vater ihr Eiscreme gekauft, während er selbst an einem gekühlten Whiskey genippt hatte. Die diamantförmigen Eiswürfel waren in der bernsteinfarbenen Flüssigkeit geschwommen.
    Danach hatte Mahlia Eis immer mit China in Verbindung gebracht. Ein märchenhafter Luxus aus einem Märchenland. Ihr Vater hatte erzählt, dass es in China Eis zum Kühlen von Getränken und elektrische Fahrräder gab und Städte mit tausend Meter hohen Häusertürmen. Weil China ein zivilisiertes Land war. Die Chinesen bekriegten sich nicht gegenseitig. Sie planten und bauten. Als der

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