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Versunkene Staedte

Versunkene Staedte

Titel: Versunkene Staedte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paolo Bacigalupi
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stellen. Sie hatte zuallererst an sich selbst gedacht, und deswegen hatte sie überlebt.
    Die anderen Verstoßenen waren inzwischen alle tot. Die Kinder mit den mandelförmigen Augen, die die Schulen der Friedenswächter besucht hatten… Amy Ma und Louis Hsu und Ping Li und all die anderen. Sie waren zu zivilisiert gewesen, um zu wissen, was sie im Ernstfall tun mussten. Mahlia hatte überlebt, weil sie sich nicht wie Mouse verhalten hatte. Und zugleich auch deshalb, weil Mouse sich nicht wie sie verhalten hatte.
    Doktor Mahfouz würde bestimmt sagen, dass Mouse das Richtige und sie das Falsche getan hatte, aber sie war sich sicher, dass sie andernfalls nicht mit heiler Haut davongekommen wäre.
    All das besaß keinen tieferen Sinn. Das Leben war keine Waage, die austariert werden musste. Es gab keine Belohnung, außer vielleicht in dem Jenseits, von dem die Hochwasserchristen redeten.
    Vor ihr hob Mouse warnend die Hand.
    Mahlia erstarrte und ging in die Hocke. » Was ist? « , flüsterte sie.
    Â» Weiß nicht. «
    Vor ihnen lag eine Lichtung, die in ein Sumpfgebiet überging– mit Rohrkolben und Seerosen bedeckte Tümpel. Mahlia lauschte und versuchte zu erkennen, was Mouses Argwohn geweckt hatte. Insekten summten. Alles schien friedlich. Mouse deutete in eine Richtung. Mahlia reckte den Hals…
    Dort.
    Zwischen den Rohrkolben im Sumpf schwamm etwas. Es bewegte sich nicht.
    Nachdem sie eine Weile gewartet hatten, sagte Mouse schließlich: » Scheint tot zu sein. «
    Gemeinsam schlichen sie näher, trennten sich dann und sondierten die Umgebung, behielten dabei aber stets die Masse aus Fell und ledriger Haut im Auge, die vor ihnen im Wasser schwamm.
    Der Uferrand wies einige Spuren auf: Der Schlamm war zerwühlt und das Gras niedergetrampelt. Überall waren eingetrocknete Blutflecken zu sehen, und im Matsch befanden sich zahlreiche Pfotenabdrücke.
    Â» Kojwölfe? « , flüsterte Mouse.
    Mahlia schüttelte den Kopf. » Zu klein, oder? «
    Â» Ja. « Er ging in die Hocke. » Aber es waren auf jeden Fall Hunde, keine Katzen. Hier sind Furchen von Klauen zu sehen. «
    Er sog nachdenklich die Luft ein. Dann erhob er sich und schritt das Ufer ab. » Oh, oh. « Er nickte in Richtung Boden. » Es waren tatsächlich Hunde. « Er blickte auf. » Spürhunde. «
    Â» Woher zum Teufel weißt du das? «
    Er winkte sie zu sich. Auf dem Boden vor ihm war die Spur eines anderen Raubtiers im Schlamm zu sehen. Ein Fußabdruck. Von einem schweren Stiefel mit einem gut erkennbaren Profil.
    Stiefel mit solch dicken Sohlen machten zwar eine Menge Lärm, aber man konnte damit zum Beispiel über zerbrochenes Glas oder verrosteten Draht laufen.
    Â» Soldaten « , sagte Mouse. » Die Stiefel sind ein eindeutiger Hinweis. «
    Â» Also ein paar reiche Soldaten mit ihren Hunden? « Sie spürte, wie sie ein Schauer der Angst überlief. Soldaten. Hier im Dschungel. In der Nähe des Dorfes. » Denkst du, es war die VPF ? «
    Â» Weiß ich nicht. Aber sie haben Stiefel. Wenn sie so reich sind, haben sie wahrscheinlich auch Gewehre. Das sind nicht nur irgendwelche Möchtegernsoldaten mit Säure und Macheten. «
    Â» Aber hier draußen gibt es doch nichts. Nichts, was sich zu plündern lohnt. Und auch keine Gegner. «
    Â» Vielleicht wollen sie ja rekrutieren. «
    Wenn das stimmte, mussten sie alle fliehen und das Dorf verlassen. Wollten die Soldaten jemanden haben, dann holten sie ihn sich. Und Mahlia hatte noch nie gehört, dass jemand zurückgekehrt war, nachdem er rekrutiert worden war.
    Â» Die Frage ist nur, was ist das da? « , sagte Mouse.
    Mahlia folgte seinem Blick zu dem gewaltigen Kadaver, der im Sumpf schwamm. » Keine Ahnung. Sieht aus wie ein Alligator. «
    Â» Alligatoren haben kein Fell. «
    Mahlia hatte es plötzlich sehr eilig, von dem Ort wegzukommen. Der Dschungel machte sie nervös. » Wir müssen zum Doc zurück und ihm von den Soldaten berichten. Damit die Leute wissen, dass das Militär hier war. «
    Â» Gleich. «
    Â» Mouse… «
    Störrisch und verrückt wie er war, watete der kleine Läusefresser bereits ins Wasser.
    Â» Mouse! « , flüsterte Mahlia. » Komm zurück! «
    Mouse achtete nicht auf sie, sondern ging weiter ins Wasser hinein und schob dabei die Rohrkolben aus dem Weg. Er stieß den schwimmenden Kadaver mit der

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