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Verteidigung

Verteidigung

Titel: Verteidigung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Grisham
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Erwiderungen kamen immer zögerlicher, weil er wusste, dass jede noch so kleine Unstimmigkeit sofort herausgepickt, seziert und ihm unter die Nase gehalten werden würde.
    Sie hackte auf seiner Ausbildung herum und brachte ihn einige Male ernsthaft in Verlegenheit. Als es Mittag wurde, hätten sich die Geschworenen, die das Desaster beobachteten, von diesem Arzt nicht einmal einen Lippenpflegestift verschreiben lassen.
    Warum hatte er nie etwas veröffentlicht? Er behauptete, in Russland verschiedene Aufsätze geschrieben zu haben, musste aber zugeben, dass sie nie übersetzt worden waren. Warum hatte er nie unterrichtet oder war an eine Universität gegangen? Borsow versuchte zu erklären, dass ihn die Lehre langweile, aber es konnte ihn sich ohnehin keiner im Hörsaal vorstellen.
    Während der Mittagspause ging David mit seiner Anwaltsassistentin in einen Imbiss um die Ecke. Helen fand die Verhandlung höchst interessant, war jedoch erschüttert von Borsows inkompetentem Auftritt.
    »Nur zur Information«, sagte sie bei einem Frühlingssalat. »Falls wir uns jemals scheiden lassen, engagiere ich Nadine Karros.«
    »Ach, tatsächlich? Dann werde ich mich wohl an Wally Figg halten müssen, sofern er lange genug nüchtern bleibt.«
    »Du bist erledigt.«
    »Das mit der Scheidung kannst du vergessen, dafür siehst du viel zu gut aus, und außerdem hast du großes Potenzial als Anwaltsassistentin bei Gericht.«
    Helen wurde ernst. »Ich weiß ja, dass du im Augenblick den Kopf nicht frei hast, aber du musst an deine Zukunft denken. Bei Finley & Figg kannst du nicht bleiben. Was ist, wenn Finley nicht zurückkommt? Was, wenn Figg weiter an der Flasche hängt? Und warum solltest du überhaupt da bleiben wollen?«
    »Ich weiß nicht so recht. Ich habe noch keine Zeit gehabt, darüber nachzudenken.« Bisher hatte er ihr nicht von den potenziellen Sanktionen gemäß Prozessordnungsvorschrift 11 und dem drohenden Verfahren wegen Verletzung der Anwaltspflichten erzählt, um ihr diesen doppelten Albtraum zu ersparen. Das mit der Bürgschaft, die er gemeinsam mit beiden Partnern für den Kreditrahmen von zweihunderttausend Dollar übernommen hatte, hatte er auch für sich behalten. In naher Zukunft hatte er wohl keine Chance, die Kanzlei zu verlassen.
    »Lass uns später darüber reden«, bat er.
    »Entschuldige. Ich finde nur, du könntest es um Größenordnungen besser treffen.«
    »Danke, Schatz. Findest du meinen Auftritt vor Gericht etwa nicht brillant?«
    »Ich bin schwer beeindruckt, aber ich glaube, ein großer Prozess reicht.«
    »Nadine Karros übernimmt übrigens keine Scheidungen.«
    »Dann bleibt mir wohl keine Wahl. Ich muss durchhalten.«
     
    Um 13.30 Uhr torkelte Borsow zum letzten Mal in den Zeugenstand, und Nadine Karros setzte zum Todesstoß an. Da er keine Patienten behandle, sei wohl davon auszugehen, dass er auch Percy Klopeck nicht behandelt habe. Mr. Klopeck sei bereits, lange bevor Borsow als Sachverständiger verpflichtet worden sei, verstorben. Also habe er, Borsow, doch sicherlich die behandelnden Ärzte konsultiert. Nein, musste Borsow zugeben, das habe er nicht. Sie gab sich ungläubig und fing an, auf dieser unglaublichen Unterlassung herumzureiten. Seine Antworten kamen immer langsamer, seine Stimme wurde schwächer, der russische Akzent stärker, bis er schließlich um 14.45 Uhr ein weißes Taschentuch aus der Jackentasche zog und es schwenkte.
    Derart dramatische Entwicklungen waren in der Prozessordnung der Bundesgerichte nicht vorgesehen, und David wusste nicht recht, wie er sich verhalten sollte. Er stand auf.
    »Euer Ehren, ich glaube, der Zeuge ist überfordert.«
    »Dr. Borsow, geht es Ihnen gut?«, fragte der Richter.
    Die Antwort lag auf der Hand. Der Zeuge schüttelte den Kopf.
    »Keine Fragen mehr, Euer Ehren«, sagte Ms. Karros und verließ das Rednerpult – wieder ein vernichtender Sieg.
    »Haben Sie noch Fragen, Mr. Zinc?«, erkundigte sich der Richter.
    David hatte nicht das geringste Bedürfnis, seinen Zeugen wiederzubeleben. »Nein, Euer Ehren«, erwiderte er eilig.
    »Dr. Borsow, Sie sind entlassen.«
    Der Arzt torkelte, gestützt auf einen Gerichtsdiener, davon, um fünfundsiebzigtausend Dollar reicher, aber mit einem weiteren schwarzen Fleck auf seinem Lebenslauf. Richter Seawright vertagte die Sitzung auf 15.30 Uhr.
     
    Dr. Herbert Threadgill war ein Pharmakologe von zweifelhaftem Ruf. Wie Borsow wollte er die letzten Jahre seiner beruflichen Laufbahn so angenehm wie

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