Vertrau deinem Herzen
– irgendetwas – zog am Kragen seiner Weste, und er sank doch nicht.
Die Schwimmweste, die laut seiner Mutter die Beste war, die man für Geld kaufen konnte, hielt ihn oben, und er trieb auf dem Wasser, während seine Beine über der ewigen Tiefe baumelten. Erneut überrollte ihn eine Welle der Panik, und er machte sich ein bisschen in die Hose, aber da er im Wasser war, merkte es niemand.
Callie trieb ebenfalls in ihrer Weste auf dem Wasser. Sie strich sich die Haare aus dem Gesicht und spuckte etwas Seewasser aus. „Ich schwöre dir, Kleiner“, sagte sie nach Luft schnappend. „Du bist so ein Idiot.“ Sie schwamm zum Kajak hinüber, das kieloben auf dem Wasser lag. „Hilf mir, das Ding umzudrehen.“
„Ich kann nicht schwimmen.“ Aarons Zähne schlugen aufeinander wie die Räder einer Eisenbahn auf den Schienen.
„Deshalb hast du ja die Weste an, du Genie!“
Sie versuchte nicht mal, ihn zu retten und an Land in Sicherheit zu ziehen. Sie würde ihn einfach hier im Wasser lassen, panisch wie er war.
Genau in dem Moment kam der Geist herübergeschwommen. Aaron war zu entsetzt, um zu schreien. Er konnte nur zittern und ihn anstarren. Unter seinen Füßen war nichts. Nichts außer hunderten von Metern tödliches Wasser.
„Braucht ihr Hilfe mit eurem Kajak?“, fragte der Geist.
Natürlich bemerkte Aaron jetzt, dass es kein Geist war, sondern ein Junge. Ein Junge mit gebräunten Schultern und einer Tätowierung auf dem Arm.
„Ja“, sagte Callie und klang ziemlich cool. „Du hast uns einen Heidenschreck eingejagt.“
„Das war genau meine Absicht.“ Der Junge schwamm zum Kajak. Gemeinsam gelang es ihm und Callie, es umzudrehen. Im Kiel schwappte das Wasser und ließ das Kajak ziemlich tief im Wasser liegen.
„Hat funktioniert“, sagte Callie und schaute dem Jungen tief in die Augen. „Du solltest nicht alleine schwimmen.“
Der Junge grinste. Vielleicht zwinkerte er ihr sogar zu. „Ich bin nicht allein. Aber dein Bruder sieht aus, als wenn er Hilfe gebrauchen könnte“, fügte er hinzu.
„Er ist nicht mein Bruder, und er schafft das schon. Komm, Aaron, schwimm.“
Aaron wusste nicht, was er tun sollte. Er konnte kaum denken, so panisch war er. Er stieß mit den Füßen und wedelte mit den Armen. Er fragte sich, ob diese Bewegungen die Monster aus der Tiefe aufmerksam machen würden. Bei dem Gedanken wollte er sich nur noch beeilen und strampelte schneller.
Mit überraschender Geschwindigkeit schaffte er es zum Kajak. Inzwischen schwebten Callie und der Junge mit einander zugewandten Gesichtern neben dem Boot und redeten wie zwei alte Freunde. Der Junge hieß Luke Newman. Er war gerade mit der Highschool fertig und verbrachte den Sommer bei seiner Oma, die zufällig Mrs Newman war.
Aarons Atem ging schnell und pfeifend, und ihm wurde schwindelig. Er schnappte nach Luft und hoffte, dass Callie es bemerken und ihn in Sicherheit ziehen würde. Stattdessen schaute sie ihn grimmig an. „Beruhig dich. Das wird dich nicht umbringen.“
Er wollte sie wütend anschreien. Das war alles ihre Schuld! Und er hatte solche Angst, dass er wusste, er würde jede Sekunde sterben. Aber er wollte auch nicht seine Energie mit Schreien verschwenden, also zwang er sich, seinen Atem zu beruhigen. Er trat weiter Wasser und zog sich mit den Armen in Richtung Land.
„Das Wasser muss aus dem Boot raus“, sagte Luke und zog das Kajak ans steinige Ufer. „Kannst du mir kurz helfen, Aaron?“
Nein. Ich habe zu große Angst. Aaron dachte die Worte, aber er sagte sie nicht. Seine Zähne klapperten zu sehr. Er konnte nichts anderes tun, als zu helfen. Seine Füße traten gegen etwas Hartes, und erleichtert stellte er sich hin.
„Hey“, sagte er ein wenig zittrig. „Hey, ich kann stehen.“ Erleichterung und Erstaunen hatten ihm seine Stimme zurückgebracht.
„Gut gemacht, Genie!“ Callie blieb im Wasser, ihre Zähne zitterten auch, allerdings vor Kälte. Mit ihren nassen Haaren und Wimpern sah sie ganz anders aus. Vielleicht lag es aber auch an dem Blick, mit dem sie Luke Newman beobachtete.
„Du hast was vergessen!“ Luke zeigte mit der Hand in Richtung See.
Aaron drehte sich um. Verzweiflung übermannte ihn, als er es sah. „Mein Paddel.“ Es trieb langsam auf dem ruhigen blauen Wasser davon. Mit einem bittenden Blick wandte Aaron sich an Callie. „Kannst du ...“
„Du hast es fallen lassen, du holst es wieder.“
Das war alles. Kein gutes Zureden, wie seine Mutter es getan hätte. „Komm,
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