Vertrau deinem Herzen
Wasseroberfläche wieder durchbrach. Zum Glück hatte seine Schwimmweste am Kragen einen Griff, um ihn aus dem Wasser zu ziehen.
„Mom“, rief Aaron. „Mom!“
„Ich hab dich, Baby! Alles wird gut.“ Kate schwamm wie ein Profi. Adrenalin pumpte durch ihren Körper, wie es das nur bei einer Mutter in Panik tut. Es war die stärkste Droge, die es gab. Unter seinem Einfluss konnte eine Mutter über Wasser laufen, ein Auto anheben oder einen Wolkenkratzer erklimmen – nur um ihr Kind zu retten.
„Mom, du kannst mich jetzt loslassen“, sagte Aaron. „Ich kann selber schwimmen.“
Kates taube Finger klammerten sich weiter an die Schwimmweste. „Was?“
„Callie bringt mir bei zu schwimmen“, sagte er mit einer erstaunlich erwachsen klingenden Ruhe in der Stimme.
Kate drehte den Kopf, um Callie anzuschauen, die in ihrer Schwimmweste ruhig Wasser trat. Dann schaute sie wieder ihren Sohn an.
„Es ist wirklich okay“, sagte er. „Du kannst mich jetzt loslassen.“
Kate öffnete ihre Hand, und er trieb von ihr weg. Sie unterdrückte den Drang, ihn wieder zu packen.
„Es ist noch nicht wirkliches Schwimmen, weil ich ja noch die Weste anhabe“, erklärte Aaron. „Aber ich bin reingesprungen, nicht wahr, Callie?“
„Mit Kopf unter Wasser und allem Drum und Dran. Nur für eine Sekunde“, beeilte sie sich, Kate zu versichern.
„Du musst mal sehen, wie ich vom Steg springe, Mom“, sagte er. „Guck einfach zu!“
„Ich gucke.“ Es war nicht möglich, sich an das Gletscherwasser des Sees zu gewöhnen. Bald schon würden sie alle an Unterkühlung leiden. Nur noch ein paar Minuten, dachte sie.
Ungelenk schwamm Aaron zur Leiter am Steg. Wie eine Schildkröte in einem übergroßen Panzer kletterte er sie hinauf. Callie war damit beschäftigt, das Kajak am Steg zu befestigen. Bandit wanderte auf und ab und sprang dann vor Freude in die Luft, als Aaron aus dem Wasser stieg. Er ging ein paar Schritte zurück und nahm Anlauf.
Kate traute ihren Augen nicht. Ihr Sohn, die dünnen Arme und Beine wie ein Seestern von sich gestreckt, sprang vor dem blauen Sommerhimmel in die Luft und dann ins Wasser.
Er landete mit einem lauten Platscher, tauchte für eine Millisekunde unter, bevor der Auftrieb der Weste ihn wieder an die Oberfläche holte.
„Wahnsinn, Aaron!“, strahlte Kate ihn an. „Ich bin so stolz auf dich!“ Sie drehte sich um, um Callie zu fragen, wie sie es geschafft hatte, Aaron ins Wasser zu bekommen, aber Callie war schon auf dem Weg zum Haus.
„Ich hole uns Handtücher“, rief sie ihnen über die Schulter zu und eilte zur Wäscheleine. Die nassen Kleider klebten eng am Körper des Mädchens, und ihre Verlegenheit war bis zum See zu fühlen.
Körpergefühl. Alle Mädchen in dem Alter hatten Probleme, ihren Körper zu akzeptieren. Für Kate waren ihre dürren Beine und die flache Brust ein konstanter Quell der Scham gewesen. Bei Callie war offensichtlich, dass sie sich schämte, so schwer zu sein und so schlechte Haut zu haben. Kate zerriss es das Herz. Sie wollte Callie versichern, dass sie attraktiv war und klug. Dass es mehr zählte, was in ihr steckte.
Kate sah zu, wie Aaron noch ein paar Mal ins Wasser sprang. Callie kam mit den Handtüchern zurück und setzte sich auf den Steg. Eingewickelt in ein gestreiftes Badetuch, ließ sie die Füße ins Wasser baumeln. Bandit setzte sich neben sie. Sie warf ihm einen misstrauischen Blick zu, aber gab dem Hund dann einen zögerlichen Klaps auf die Schulter. Er leckte ihr dafür das Gesicht ab, was sie zusammenzucken ließ, aber sie blieb, wo sie war, und ertrug die Zuneigungsbekundungen des Hundes tapfer.
„Wie hast du ihn ins Wasser bekommen?“, wollte Kate von Callie wissen, „Ich bin durch Zufall reingefallen“, erklärte Aaron, der gerade wieder zur Leiter paddelte.
„Oh mein Gott ...“ Kate lief ein Schauer über den Rücken.
„Ich war bei ihm“, beeilte Callie sich zu sagen.
„Als ich einmal drin war, bin ich einfach drin geblieben.“
„Dann hätte ich dich also Vorjahren schon einfach in den See schubsen sollen“, murmelte Kate.
„Ich habe gesagt, ich würde schwimmen, wenn sie sich mit Bandit anfreundet“, sagte Aaron.
„Das war ganz schön ausgefuchst von dir“, meinte Kate. „Aber es gibt etwas, was du über das Schwimmen in diesem See wissen solltest. Wenn du zu lange im Wasser bleibst, wirst du dir eine Unterkühlung holen.“
Unter Protesten brachte sie ihn dazu, aus dem Wasser zu kommen. Er stimmte erst
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