Vertrau deinem Herzen
total Unbekanntes war, sich als Familie um einen Tisch zu setzen. Das unbestreitbare Vergnügen, eine Mahlzeit zu teilen, war tief und süß gewesen. Schmerzhaft in seiner Intensität, aber dennoch kein Schmerz, den er zukünftig vermeiden wollte. Stattdessen sehnte er sich danach, es noch einmal zu erleben. Sehnte er sich nach ihr. Ihren roten Haaren und den Sommersprossen, ihren Kurven, die er mit seinen Händen erforschen wollte, ihren grünen Augen, die ihn mit einem Farbspiel faszinierten, das ihn an den in der Sonne glitzernden See denken ließ.
Er ließ sich auf ein Knie sinken, um mit dem Boot auf Augenhöhe zu sein und die Gleichmäßigkeit seiner Arbeit besser beurteilen zu können. Er verglich, was er sah, mit den Originalplänen. Die Seiten weiteten sich in eleganten Rundungen, die sehr zu seinem Erstaunen symmetrisch zu sein schienen. Heute war er Schönheitschirurg.
„Change the World“ drang an sein Ohr. JD stand auf, straffte die Schultern und trat einen Schritt zurück, um zu überlegen, was er als Nächstes tun würde. Er pfiff die Melodie leise mit. Er hörte Callie nicht kommen, sah aber ihren Schatten aus dem Augenwinkel und drehte sich zu ihr um. Sie ging mit seltsam zielgerichteten Schritten, und selbst in dem goldenen Licht des späten Nachmittags sah ihre Haut blass aus. Sie hatte kleine Schmutzflecken im Gesicht und auf den Händen, Zeichen für die harte Arbeit, die sie geleistet hatte.
„Du siehst aus wie Aschenputtel“, grinste er sie an.
„Ja, das bin ich. Ein verdammtes Aschenputtel.“ Er bemerkte ein wütendes Funkeln in ihren Augen. Sie hielt etwas eng gegen ihre Brust gepresst.
Als JD sah, was es war, wurde ihm ganz kalt ums Herz. Sehr langsam setzte er den Schwingschleifer ab, den er noch in den Händen hielt. Dann nahm er den Mundschutz ab und hängte ihn an einen der Sägeböcke. Er sagte nichts, stand nur wie angewurzelt da und wartete. Die Musik vom Haus schien sehr weit weg zu sein.
„Das sind Sie“, stellte sie fest und schlug mit der Zeitschrift gegen den Sägebock. „Sie sind dieser Kerl!“
Sägespäne wirbelten von den Seiten auf.
Verdammt! dachte er. Er hätte vorsichtiger sein müssen. Hätte sich in seiner Anonymität nicht so sicher fühlen dürfen. „Ist es ein Hobby von dir, in anderer Leute Öfen herumzuschnüffeln?“
„Ich wollte die Asche entsorgen. Dann hab ich das hier gefunden und eine Pause gemacht, wie Sie gesagt haben, und ein wenig darin herumgeblättert. Ich hab die Nachricht gesehen, die jemand daraufgeklebt hatte. Anfangs war ich verwirrt, aber ich habe nicht lange gebraucht, um zwei und zwei zusammenzuzählen.“
„Hör zu, ich wollte nie ...“
„Hatten Sie jemals vor, uns die Wahrheit zu sagen, Sergeant Jordan Donovan Harris? Oder wollten Sie uns weiter für dumm verkaufen?“
JD schluckte und schmeckte Sägemehl. Er überlegte, zu leugnen, der Mann in der Zeitschrift zu sein, und fragte sich, ob er sich wohl aus dieser Situation herauslügen könnte. Doch als er ihr ins Gesicht sah, in die dunklen, anklagenden Augen, wusste er es besser. Das hier war ein Mädchen, das sein ganzes Leben über belogen worden war. Callie wusste, wie eine Lüge klang.
Er schwieg einen Moment. Er wollte noch ein paar Minuten lang anonym bleiben, einfach nur ein Mann sein, der einen Sommer am See verbrachte, niemand Besonderes.
„Ich wollte niemand für dumm verkaufen. Und ganz sicher hatte ich nicht vor, irgendjemandem wehzutun“, sagte er endlich. „Es tut mir leid, wenn ich dir auf die Füße getreten bin.“
„Warum stehen Sie nicht dazu, wer Sie sind?“, fragte Callie.
Er zeigte auf das Magazin. „Darum.“
Sie nahm es hoch, öffnete die Seite mit dem ihm inzwischen so vertrauten Bild, auf dem er sich auf den Attentäter stürzte. „Das hier ist nichts, was man vor seinen Freunden verstecken müsste. Dieser Mann, Jordon Donovan Harris, ist ein Held. Er ist der größte Held des Landes.“
JD schüttelte den Kopf. „Er ist ein Mann, der eine gute Ausbildung genossen hat und zufällig zur richtigen Zeit am richtigen Ort war. Das Letzte, was ich wollte, war das hier.“ Er nahm ihr die Zeitschrift aus der Hand, klappte sie zu und legte sie beiseite. „Sei nicht böse auf mich! Ich versuche nur, vor der ganzen Aufmerksamkeit zu fliehen, wieder ein normales Leben zu führen.“
„Ich versteh das nicht. Sie sind berühmt. Sie können alles machen, was Sie wollen. Sogar mit Paris Hilton ausgehen.“
Er wischte seine Hände an der
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