Vertrau deinem Herzen
Wenn sie jetzt eingreifen würde, würde es Callies Position ihm gegenüber schwächen. Und dann hätte Callie keine Lust mehr, heute Abend auf ihn aufzupassen, und Kate würde nicht ausgehen können, und wieder einmal würde ein Mann, der an ihr interessiert war, sich von ihr abwenden, wie alle seine Vorgänger es getan hatten.
Natürlich war Callie mit seinen Wutausbrüchen nicht vertraut. Aber sie schien sich davon auch nicht stören zu lassen.
„Also“, sagte sie. „Wenn du nicht nach den Regeln spielen willst, spielen wir halt gar nicht mehr.“ Sie drehte ihm den Rücken zu und ging mit langsamen, ruhigen Schritten davon.
Aaron explodierte. Er stieß einen Schrei aus, hob seinen Schläger hoch über den Kopf und schlug ihn dann so hart auf die Erde, dass das Gras aufflog. „Mom“, brüllte er. „Sag ihr, dass sie fair spielen soll. Sag ihr ...“
„Das ist nicht mein Job“, sagte Kate, aber er hörte sie nicht. Er hatte sich in einer Welt aus Wut verloren, ein Ort, wo er nur alleine hinging und aus dem er manchmal keinen Weg zurückfand. Bei all den herumliegenden hölzernen Schlägern und Kugeln hatte sie Angst, dass er sich verletzen könnte – oder jemand anderen. Sie stand kurz davor, zu ihm zu gehen, um ihn zu beruhigen, als Callie sich einschaltete.
„Meine Güte, Kleiner!“ Sie gab sich vollkommen unbeeindruckt. „Du kannst mit deinem Geschrei ja Gläser zum Bersten bringen.“ Sie drehte sich wieder um und hob ihre Kugel auf.
„Warte“, sagte Aaron. Seine Stimme war angespannt, aber kontrolliert. „Es ... ich bin dran.“
Weil sie ihm den Rücken zugewandt hatte, konnte Aaron nicht den Ausdruck von Erleichterung sehen, der über Callies Gesicht huschte. Er amtete schwer, und sein Gesicht war immer noch rot, aber er hatte sein Temperament besiegt. Ein Fortschritt, dachte Kate. Vor einem Jahr hätte er noch über eine Stunde gebraucht, um sich wieder zu beruhigen, und alle hätten sich elend gefühlt.
„Wenn du meinst“, sagte Callie und trat einen Schritt zur Seite. „Dann los.“
Man konnte richtig sehen, wie Aaron die Episode abschüttelte und sich dann vorbeugte, um sein Ziel anzuvisieren. Mit einem Schlag war er wieder zurück im Spiel, und sein Ball lag perfekt, um beim nächsten Mal das Doppeltor zu passieren und das Ziel zu erreichen.
„Guter Schlag, Kleiner“, beglückwünschte ihn Callie.
Kate hoffte, dass ihr Deo noch wirkte. Während der letzten Minuten hatte sie unter unsagbarer Anspannung gestanden, und die Erleichterung, die nun durch ihren Körper schoss, hinterließ ein Gefühl, als wenn ihre Arme und Beine aus Gummi wären.
Callie schaute sie an. „Das Kleid steht dir gut.“
Kate nahm ihre Handtasche auf. „Findest du?“
„Absolut.“
„Danke.“
Die beiden vertieften sich wieder in ihr Spiel, als ob es Aarons Wutausbruch nie gegeben hätte. Callies Kompliment hatte Kates Selbstbewusstsein einen Schub gegeben. Das Mädchen besaß ein überraschend ausgeprägtes Gespür für Mode. Überraschend deshalb, weil sie selbst immer nur übergroße Sachen trug. Nicht einmal einen Badeanzug zog sie an, sondern sie zog es vor, in abgeschnittenen Hosen und einem schwarzen Corona-T-Shirt zu schwimmen, das natürlich auch Größe XXL hatte. Kate wünschte, sie könnte die Dinge ausradieren, die Callie erlebt hatte und die das Mädchen immer nur andeutete. Aber sie wusste es besser. Man konnte die Vergangenheit nicht ändern. Der Schlüssel lag darin, dass Callie ihren Frieden mit sich schließen musste.
Als Callie und Aaron eine Pause machten, gab Kate ihnen ein paar Anweisungen für den Abend. „Stellt das Gas aus, nachdem ihr die Hamburger gegrillt habt. Und Aaron, du gehst ohne Murren ins Bett, wenn Callie es dir sagt. Keine dummen Streiche mehr, okay?“
„Callie hat gesagt, ich kann so lange aufbleiben, wie ich will“, grinste er und richtete sich auf.
Kate wurde schwer ums Herz. Sie hatte Callie erklärt, dass Aaron dazu neigte, seine Kontrolle zu verlieren, wenn er müde oder überreizt war. Offensichtlich hatte Callie ihr nicht richtig zugehört.
„Dann erzähl ihr auch den Rest, Schlaumeier!“ Callie stupste ihn mit dem Ellbogen an.
„Wenn ich noch aufbleiben will, muss ich flach in meinem Bett liegen und ein Buch lesen.“ Er warf Callie einen Blick zu. „Ein echtes Buch, keinen Comic.“
Kate gab ihm einen Kuss auf den Scheitel. „Das klingt gut. Sogar hervorragend.“ Sie strahlte Callie an.
In diesem Moment kam JD vorgefahren. Kate
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