Vertrau mir
verstehend. »Ein Scherz.« Sie klang wenig begeistert. »Freut mich, wenn Sie die Sache amüsiert.«
Maike kam nicht mehr mit. Offensichtlich hatte sie schon wieder etwas Falsches gesagt. Aber was? Dann kam sie drauf. »Ich amüsiere mich doch nicht darüber, dass Sie lesbisch sind.« Anna blickte skeptisch. Es half wohl nichts. Sie musste sich »offenbaren«. Im Grunde war es nur recht und billig. Immerhin hatte auch Anna vor ihr ihr Innerstes nach außen gekehrt. Maike nahm erneut Annas Hand. Anna wollte sie zurückziehen, doch Maike hielt sie fest, sah Anna in die Augen.
»Das tue ich ganz bestimmt nicht. Ich . . . ich . . .« Zu Maikes eigener Verwunderung tat sie sich schwer mit ihrem Bekenntnis. »Ich habe wirklich überhaupt keine Veranlassung . . . im Gegenteil, ich . . .« Was stotterst du denn hier zusammen, Maike?!
»Nun brechen Sie sich mal nichts ab. Sie können meine Hand wieder loslassen.«
Maike wusste nicht, warum – sie tat es nicht. Vielleicht, weil sie Anna, wenn sie schon nichts Vernünftiges sagte, wenigstens zeigen wollte, dass sie sich weder lustig machte noch voreingenommen war. Sie hoffte, Anna würde ihre Geste richtig deuten. Und sie hoffte auch, die Unruhe, die sie unerklärlicherweise verspürte, würde verschwinden. Maike sah Anna an, lächelte zaghaft, brachte es aber nicht auf die Reihe, ihr zu sagen, dass auch sie Frauen liebte. Warum? fragte sie sich. Sie vergab sich doch nichts dadurch. Im Gegenteil, vielleicht wäre Anna aufgeschlossener ihr gegenüber. Immerhin hätten sie dann wenigstens eine Gemeinsamkeit. Befürchtete sie, Anna würde ihr dann Avancen machen? Oder befürchtete sie, Anna würde ihr keine machen? Wollte sie was von Anna? Wenn ja, was? – So viele Fragen, und nicht die Spur einer Antwort. Nur Verwirrung. Sie stand auf und ließ dabei endlich Annas Hand los. »Entschuldigung. Ich glaube, ich fahre jetzt besser.« Ansonsten mache ich mich noch völlig zur Närrin. Sie spürte Annas verwunderten Blick in ihrem Rücken, als sie eilig die Küche verließ.
9.
C laudia rief Maike auf ihrem Handy an, gerade als sie von Annas Hof fuhr. Maike stand immer noch völlig neben sich. Es fiel ihr unglaublich schwer, sich auf das zu konzentrieren, was Claudia sagte. Die wollte sich mit ihr treffen. Sie verabredeten sich in einem Café in einer halben Stunde.
Nicht viel Zeit, um wieder in Form zu kommen. Kannst du mir mal erklären, was zum Teufel eben mit dir los war, Maike!? Nein, das konnte sie nicht. Es gibt jetzt auch Wichtigeres, schob Maike das Problem mit gutem Grund, wie sie sich versicherte, auf einen späteren Zeitpunkt. Sie musste jetzt ihr Augenmerk auf das Treffen mit Claudia richten. Nach der ersten gemeinsamen erfolgreichen Aktion hoffte Maike, Claudias Vertrauen gewonnen zu haben.
Zu Recht, wie sie wenige Minuten später feststellte. Denn als sie ins Café kam und sich zu Claudia an den Tisch setzte, offenbarte ihr diese nach nicht einmal zwei Minuten: »Wir planen eine neue Aktion.«
»Bin dabei«, sagte Maike wie aus der Pistole geschossen.
Claudia lächelte breit, schob ihr den Cognac hin, den sie bereits vor Maikes Ankunft bestellt hatte. Normalerweise trank Maike vormittags keinen Alkohol. Er machte sie nur müde und schlapp für den Rest des Tages. Doch Claudia sagte: »Auf unseren gestrigen Erfolg.« Da Maike sie bei Laune halten wollte, prostete sie ihr zu: »Auf unseren Erfolg.«
»Du hast dich gut geschlagen«, sagte Claudia. »Als wärst du schon Jahre dabei. Keine überflüssigen Fragen, keine rührselige Empfindsamkeit. Ich bin beeindruckt. Viele Anfänger übergeben sich nach so einer Aktion erst mal gründlich. Vor Angst oder Ekel oder beidem.«
Maike versuchte zu ergründen, worauf Claudia hinaus wollte. Hatte sie sich in ihrem Eifer vielleicht zu gut geschlagen und Claudia damit misstrauisch gemacht? »Du auch?«, fragte sie.
»Nein. Ich nicht.«
»Siehst du.«
»Du machst mich neugierig. Erzähl mir mal ein bisschen mehr über dich. Wo kommst du her? Was machst du so?«
Warum wollte Claudia das wissen? War es in diesen Kreisen üblich, sich die Lebensgeschichte zu erzählen? Man würde doch eher vermuten, dass alle so anonym wie möglich blieben. Maike zögerte noch aus einem anderen Grund. Sie musste sehr vorsichtig sein mit dem, was sie erzählte, denn nachdem, was sie von Anna wusste, musste sie damit rechnen, dass Claudia es überprüfen würde.
Maike beschloss, die Geheimnisvolle zu spielen. »Gegenfrage.
Weitere Kostenlose Bücher