Vertraute Schatten
gedankenverloren anstarrte. Vielleicht überlegte er, wie er sie am besten loswerden konnte.
Bei diesem Gedanken wurde ihr ganz flau im Magen.
»Nein«, entgegnete Jaden. »Ty und Lily sind bereist abgereist. Lyra und ich waren zu Besuch hier, und nach allem, was passiert ist, haben wir ihn eben … verlängert. Wir passen ein bisschen auf, solange sie fort sind.«
»Sie sind schon weg?«, sagte Damien. »Ganz schön früh, vor allem in Anbetracht der Situation.«
Jaden Harrison, Ehemann des ersten weiblichen Alphatiers im Rudel der Thorn, war inzwischen zu ihnen getreten und beobachtete gerade, wie der einzige Steward das Gepäckfach unter dem Jet schloss.
Ariane, der erst jetzt auffiel, wie klein ihre Reisetasche im Vergleich zu Damiens wuchtigem Koffer wirkte, musste grinsen. Damien hatte erwähnt, dass er ein paar Sachen bei Vlad gelagert hatte, weil er dort auf seinen Reisen häufig Station machte.
»Ein paar« hatte für Damien offensichtlich eine andere Bedeutung als für die meisten Leute.
»Die Situation selbst ist leider das Problem«, erwiderte Jaden. »Lily und Arsinöe sind nicht mehr im selben Raum gewesen, seit … du weißt schon. Und eine Reihe von diesen verdammten Ptolemy, die sich an unseren Grenzen rumgetrieben haben, um Katzen einzufangen, waren in den Kampf mit den Grigori verwickelt. Es gab eine Menge Tote. Dreimal darfst du raten, wen Arsinöe dafür verantwortlich macht.«
»Knifflig. Ich verstehe ja, dass Lily durch ein Vorabtreffen die Wogen glätten will, aber das wird ihr nicht gelingen.«
Jaden grinste. »Lily ist und bleibt Optimistin.«
Damien und Jaden schlugen sich gegenseitig ein paarmal fest auf die Schulter. Neugierig beobachtete Ariane ihr Begrüßungsritual. Damien mochte vielleicht nicht viele Freunde haben, aber bei den beiden, die sie bisher kennengelernt hatte, zog er zumindest nicht gleich seinen üblichen Eispanzer an.
Sie fragte sich, nach welchen Kriterien er wohl andere an sich heranließ. Vermutlich mussten sie erst irgendeinen komplizierten Test bestehen. Ihr gegenüber hatte er sich ziemlich schnell geöffnet, aber die Umstände ihres Kennenlernens – der Kampf gegen mordlüsterne Grigori – waren ja auch nicht alltäglich gewesen, und außerdem hatten sie miteinander geschlafen.
Jaden richtete den Blick seiner strahlend blauen Augen auf Ariane. »Wow. Hallo. Du musst Ariane sein.«
Lächelnd griff sie nach der Hand, die er ihr hinstreckte. »Stimmt. Nett, dich kennenzulernen. Damien hat schon von dir erzählt.«
Jaden drückte ihr fest die Hand und grinste. »Davon solltest du höchstens die Hälfte glauben. Eher weniger.« Er schwieg einen Moment, lächelte sie aber weiter an. »Nach Sammaels Erzählungen habe ich mir dich … größer vorgestellt.«
Sie zuckte zusammen. »Meine Güte, glaubt denn wirklich jeder, alle weiblichen Grigori würden aussehen wie er?«
Jaden lachte, und dieser sanfte, tiefe Ton, der ganz unten aus seiner Brust zu kommen schien, klang fast wie ein Schnurren. Er ist schön, dachte Ariane, wenn auch ganz anders als Damien. Nicht aristokratisch, sondern eher kantig. Und diese
Augen
…
»Die Antwort lautet: ja. Ich bin froh, dass die Wirklichkeit nicht ganz so erschreckend ist. Wartet bitte einen Moment, ich muss mal kurz mit der Besatzung reden. Wir bringen sie heute bei uns unter. Für sie steht ein Wagen bereit, aber sie brauchen noch den Schlüssel.«
Sobald Jaden sich umgedreht hatte, stellte Damien sich neben sie und senkte den Kopf, um ihr etwas ins Ohr zu flüstern. Als sie seinen Atem spürte, lief ihr ein Schauer über den Rücken. Es konnte doch nicht möglich sein, dass man jemanden zu jeder Tages- und Nachtzeit derart begehrte!
»Du siehst glücklich aus, Kätzchen. Ich bestehe darauf, dass du das später an mir auslässt.« Sanft strich er über ihren Arm und berührte dabei leicht ihre Brust.
Sie drehte den Kopf, um ihm zu antworten, doch als ihre Nase fast schon seine berührte, bemerkte sie plötzlich, dass sie beobachtet wurden. Peinlich berührt trat sie einen Schritt zurück. Damien starrte Jaden gereizt an.
»Es gehört sich nicht zu glotzen.«
»Wie du meinst, Mr Knigge«, erwiderte Jaden, warf ihnen aber noch einen durchdringenden, neugierigen Blick zu, bevor er den Kopf schüttelte und nach Arianes Tasche griff. »Der Wagen steht direkt vorm Ausgang.«
»Kann ich, wenn wir da sind, gleich mit Sam reden?«, fragte Ariane. Sie war ganz wild darauf, mit ihrem Freund sprechen zu können, auch
Weitere Kostenlose Bücher