vertreiben das Schulgespenst
kommen?«, fragte sie und kniete sich neben Ivy hin.
»Wahrscheinlich ist die Schule auf lauter Gräbern gebaut«, sagte Ivy. »Wenn das passiert, stört es die toten Seelen. Und dann irren sie traurig und elend herum und spuken in dem Gebäude, das auf ihren Gräbern steht.«
»Aber dafür können wir doch nichts! Es war doch nicht unsere Entscheidung, die Schule hier zu bauen.«
Ivy schüttelte den Kopf. »Das ist den Gespenstern egal.« Ihre Stimme klangplötzlich geheimnisvoll. »Und jetzt werden sie sich an den Eindringlingen rächen, die ihre Grabruhe gestört haben.«
»Sich rächen?«, fragte Bean und starrte auf den Fleck. Sie stellte sich verschwommene Umrisse vor, die über den überdachten Gang hinweg zu Frau Aruba-Tates Klassenzimmer schwebten.
»Jetzt werden sie reinströmen«, sagte Ivy. »Eine ganze Gespensterarmee.«
»Aber im Augenblick ist es doch bloß das eine, oder?«, vergewisserte sich Bean hastig.
Ivy sprang auf. »Komm, das finden wir raus!«, sagte sie und streckte die Hand nach dem Türgriff aus.
Eine Gespensterarmee! Jetzt wollte Bean auf keinen Fall mehr die Toilette betreten. »Frau Aruba-Tate hat gesagt, wir sollen so schnell wie möglich zurückkommen«, meinte sie.
Ivy bemerkte ihren Gesichtsausdruck. »Ach so«, sagte sie. »Dann lass uns zurückgehen.«
***
»Stellt eure Stühle hoch, Kinder«, sagte Frau Aruba-Tate. Das sagte sie jeden Nachmittag, wenn es klingelte, und jeden Nachmittag vergaß die halbe Klasse es. »Drew, hör auf, andere zu begrapschen! MacAdam, du kannst die Schildkröte nicht in deinen Rucksack stecken! Danke!«
Als Ivy und Bean auf dem Sportplatz ankamen, standen Emma und Zuzu schon dort. Diesmal schlugen sie keine Räder, sondern warteten ungeduldig.
»Und?«, fragte Emma. »Sag’s uns endlich!«
Ivy berichtete von der milchigen Nebelwolke und davon, wie das Mädchen fröstelnd aus dem Klo gekommen war. Sie erzählte von dem Wimmern und den gelben Augen, die wie Taschenlampen leuchteten. Als sie fertig war, drehten sich Emma und Zuzu um und betrachteten die blaue Toilettentür. »So was gibt es nicht«, sagte Zuzu.
»Ich sehe nichts«, sagte Emma.
»Das macht nichts. Manche Leute können sie nicht sehen«, sagte Ivy. »Aber Bean kann es.«
Bean nickte. Manche Leute konnten keine Gespenster sehen, aber sie konnte es.
»Warte mal«, sagte Emma. »Wenn da ein Gespenst rumspukt, dann will ich es sehen.« Sie beugte sich vor und starrte auf die Mädchentoilette.
»Du musst die Augen lange aufhalten, ohne zu blinzeln«, riet Ivy ihr.
Emma richtete die Augen auf die Tür.
Ein Mädchen kam den überdachten Gang entlanggerannt und verschwand in der Toilette. Als dieTür zuschwang, sagte Emma: »Ich sehe eine Wolke! So eine milchige Wolke, wie du gesagt hast!«
Ivy nickte. »Ja, das ist das Gespenst.«
Jetzt riss auch Zuzu die Augen auf. »Leuchtet es? Mir war, als hätte ich etwas leuchten sehen.«
»Das sind die Augen«, erklärte Bean. »Sicher hast du die Augen gesehen.« Sie kam sich wichtig vor, weil sie Zuzu half, das Gespenst zu sehen.
»Was macht ihr da?« Leo näherte sich mit einem Fußball unter dem Arm.
»Sieh mal, da drüben!«, sagte Ivy und zeigte auf die Tür. Das Mädchen kam gerade aus der Toilette. »Siehst du, wie sie sich die Hände reibt? Das ist, weil sie gerade durch eine kalte Nebelwolke gelaufen ist. Wahrscheinlich friert sie!«
Leo sah Ivy an. »Was?«
»Auf dem Mädchenklo ist ein Gespenst«, erklärte Bean.
»Es fühlt sich an, als wenn man durch kalten Nebel geht«, sagte Emma.
»Und seine Augen leuchten«, sagte Zuzu.
»Ihr seid ja total plemplem«, sagte Leo. Er ließ den Ball fallen und tat so, als würde er ihn kicken.
»Auf dem Asphaltboden vor der Klotür ist ein Portal, das in die Geisterwelt führt«, sagte Ivy zu Emma und Zuzu. »Bean und ich haben es entdeckt, als wir auf dem Klo waren. Kommt mit. Ich zeig es euch.«
»Ein Portal?«, fragte Emma. »Was ist denn ein Portal?«
»Das ist ein Tor zur Unterwelt«, erklärte Bean.
»Ach.« Emma blieb stehen.
Bean konnte verstehen, wie ihr zumute war. »Wir gehen nicht rein«, erklärte sie. »Wir wollen uns das Portal bloß ansehen.«
»Es ist völlig ungefährlich«, sagte Ivy.
Bean wusste, dass Ivy fast alles völlig ungefährlich fand.
»Also gut«, sagte Emma. Zuzu nickte.
Sie gingen über den Sportplatz. Leo folgte ihnen und kickte dabei den Ball.
ZUZU PLAUDERT DAS GEHEIMNIS AUS
Am nächsten Tag gab es in der Mittagspause kein
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