Verwegene Herzen (German Edition)
Ellenbogen. Das kurze dunkle Haar umspielte ihr Kinn. „Ich wusste es, und ich habe ihm trotzdem vertraut. Ich habe mich mehr auf seinen Rang verlassen als auf das, was du getan hattest.“
„Du schreibst die Geschichte ganz neu, Meg. Ich habe dir wenig Grund gegeben, mir zu vertrauen.“
Sie stand auf, wie eine Puppe, die an Fäden gezogen wurde. „Wir haben sie ihm überlassen.“
„Wir konnten all das nicht wissen. Und Finch ließ dir kaum eine andere Wahl.“
„Das ist mein Fehler“, sagte sie. „Von Anfang an habe ich Ada gezwungen, meinem Plan zu folgen. Sie gehorchte aus einem Schuldgefühl heraus. Und jetzt – bei allen Heiligen, wie sehr muss sie mich verachten!“
Ihre Haut schimmerte kühl wie Eis, ihre Augen waren rot gerändert, sodass die bleichen Pupillen noch mehr auffielen. Verzweifelt presste sie ihre mit Leinen verbundenen Hände auf die Augen und stöhnte.
Will zog sie in seine Arme und küsste sie auf die Stirn. „Darum kümmern wir uns, wenn sie frei ist.“
„Aber wie? Dryden hat alle getäuscht, und er wird uns erwarten. Wir können nicht einfach nach Bainbridge Castle gehen und ihre Herausgabe verlangen …“
Sie war immer leiser geworden, und dann verstummte sie plötzlich.
„Meg?“
„Ada ist nur als Geisel etwas wert“, flüsterte sie und schien irgendwo in weite Ferne zu blicken. „Wenn Dryden so sehr nach einem Alchemisten sucht, dann wird er sie für mich eintauschen.“
Die Angst lähmte ihn beinahe, ehe sie in ihm explodierte. Und dann wurde er wütend. „Auf gar keinen Fall.“
„Warum nicht? Es ist meine Entscheidung.“
„Wohl kaum, meine Gemahlin. Ich werde es nicht zulassen.“
Sie erstarrte. „Will Scarlet, ich hatte seit Stunden keinen Anlass mehr, mit dir zu streiten. Ich werde diese Gelegenheit nicht ungenutzt verstreichen lassen.“
„Genug davon, Meg.“ Furcht und Zorn ließen seine Stimme heiser klingen. „Dryden wird sich nicht fair verhalten. Entweder wird er sich verzweifelt bemühen, seine Taten zu verschleiern, vor allem die Morde, oder er wird seine Überlegenheit vor dem Gesetz ausspielen. Denk nach“, sagte er, packte sie an den Armen und schüttelte sie. „Du musst das doch begreifen.“
Beinahe bedauerte er die harten Worte, als er sah, wie alle Hoffnung und aller Kampfgeist aus ihrem Gesicht verschwanden. Aber er würde weder fair noch rücksichtsvoll sein, nicht wenn es dabei um ihre Sicherheit ging.
„Was sollen wir dann tun?“
„Komm mit mir.“
Er führte sie durch den Garten ins Haus. Die Wachen, die ihn vor einigen Tagen noch misstrauisch oder voller Verachtung angesehen hatten, grüßten ihn jetzt freundlich. Geistesabwesend nickte er, ging durch die Gänge und Flure, bis er Marian fand, die in ihrer Kammer an einer Stickarbeit saß. Robert spielte neben ihr. Er hielt Alices Schürzenbänder wie die Zügel eines Pferdes.
„Marian? Verzeih, dass ich ungebeten hereinkomme. Würdest du bitte meiner Frau Gesellschaft leisten?“
Marian zog die Brauen hoch. „Natürlich.“
„Behalte sie im Auge“, bat er. „Sie ist blind, aber geschickt. Fessle sie notfalls an einen Baum, wenn es nicht anders geht.“
Meg hielt ihn fest. „Wohin gehst du?“
Marian sah ihn an. Meg lauschte. Aber Will behielt seine Gedanken für sich, die aus der Verzweiflung geboren waren. Er hatte seinen Stolz wie einen Schild vor sich her getragen, als er seine Hoffnungen und selbstsüchtigen Träume für die Ehre geopfert hatte. Mit Meg hatte er etwas Wichtigeres gefunden, eine seltsame Art von Respekt und Vertrauen, die sie Liebe nannten. Und um sie in Sicherheit zu wissen, um wiedergutzumachen, was ihrer Schwester an Unrecht geschehen war, würde er diesen Schild ablegen.
Zu dem Ort, an den er reisen wollte, konnte ihm sein Stolz nicht folgen.
„Verzeiht mir, Marian, Meg“, sagte er. „Ich muss mit meinem Onkel sprechen.“
Robin saß an dem großen Eichentisch, vor sich ein Durcheinander aus Pergamenten und Büchern. Obwohl er sich sehr bemühte, sich mit allem vertraut zu machen, was in den letzten drei Jahren auf dem Anwesen geschehen war, fiel es ihm schwer, sich zu konzentrieren. Die Schwierigkeiten mit Will, Dryden und Finch beherrschten seine Gedanken. Er wollte helfen. Pflicht und Titel verlangten von ihm, dem Earl of Loxley, für die Sicherheit der Menschen in seinem Umkreis zu sorgen. Und tief in seinem Inneren ertönte ein alter, unschuldiger und beharrlicher Ruf. Er konnte gar nicht anders als gegen das Unrecht zu
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