Verwegene Herzen (German Edition)
von der Gesellschaft ausgeschlossen zu sein – er konnte sich kaum vorstellen, was sie durchgemacht haben musste. Sie und ihre Familie.
„Und ihr Vater?“
„Er begann den Kampf um ihr Augenlicht.“ Jacob blinzelte und rieb sich die Augen, wie ein Kind, kurz bevor es einschlief. „Ada sagte, er wäre der beste aller Männer gewesen. Aber nachdem Meg erblindet war, zählte nur noch für ihn, ein Heilmittel dagegen zu finden – das er niemals fand.“
„Sprecht ihr über mich, Jacob?“
Meg stand ein paar Schritte entfernt. Ganz in das Zwielicht des anbrechenden Abends getaucht, hätte sie ebenso gut einen Schleier tragen können, so wenig verriet ihr Gesicht von ihren Gefühlen. Ihre Miene war ausdruckslos. Leer. Nicht einmal ihre Haltung drückte etwas von dem aus, was in ihr vorging. Sie trug den Umstand, einmal mehr der Gegenstand von Gerede zu sein, mit der Reglosigkeit einer Statue.
„Zu schade, Scarlet“, sagte Jacob und grinste breit. „Ihr habt den Streit dann doch nicht vermeiden können.“
Will hatte erwartet, dass der Junge die Flucht ergreifen würde, doch er lud geduldig eine weitere Ladung Holz auf seine Arme, ehe er davonging.
„Ihr hättet mich fragen können“, sagte sie.
Ihr kühler Ton verbat ihm jede Widerrede. Ihr trauriges, müdes Gesicht, umgeben von einer dunklen Kapuze und halb im Schatten, rührte an einen empfindsamen Teil seiner Seele. Aber er hatte Jacob die Wahrheit gesagt. Die Vorstellung, wieder mit ihr zu streiten, widerstrebte ihm. Mit mehr Kraft als Geschick schlug er die Axt in den Block. „Das hätte ich, aber ich habe Jacob gefragt.“
Wortlos machte sie kehrt und ging zurück zu ihrer Hütte.
Ein wohlbekanntes Gefühl von Erniedrigung veranlasste sie, über den Vorplatz zum Wald zu gehen. Scarlet und Jacob im Gespräch über sie zu ertappen, erinnerte sie an den Augenblick, als sie Ada und Hugo zusammen entdeckt hatte. An das Gefühl, betrogen worden zu sein. An die Enttäuschung, die sie empfunden hatte. Ihre Hände zitterten und verrieten, wie tief diese Enttäuschung sie getroffen hatte. Sie verspürte keineswegs den Wunsch, von Scarlet gemocht zu werden, doch sie wünschte sich Respekt, vielleicht weil sie sich bereits in einer Weise benommen hatte, die ihr den Respekt jedes anständigen Mannes versagte.
Er ging ihr nach, seine langen Schritte raschelten auf den trockenen Blättern, die ihre Hütte umgaben. Meg wappnete sich, körperlich und seelisch, dennoch zuckte sie zusammen, als er ihren Arm umfasste.
„Wartet bitte“, sagte er. „Wie geht es Monthemer?“
„Er ruht. Dryden kümmert sich um ihn.“
Scarlet ließ die Hand sinken. „Das freut mich. Er hat heute gut gekämpft, wenn auch ohne Erfolg.“
„Wurdet Ihr verletzt?“
Am liebsten hätte sie die Frage sofort zurückgenommen, kaum dass sie sie ausgesprochen hatte. Seine wichtige Rolle bei ihrem Vorhaben rechtfertigte nicht die Besorgnis, die sie verspürt hatte, seit er im Morgengrauen nach Keyworth aufgebrochen war.
Stumm blieb er stehen. Sie spürte, wie er sie musterte. Vielleicht war er von ihrer Sorge ebenso überrascht wie sie selbst.
„Zum Glück nicht“, antwortete er leise. „Ich konnte den Bogen gut gebrauchen.“
„Das sagte Dryden schon.“ Ein Lächeln umspielte ihre Lippen, setzte sich gegen ihre schlechte Stimmung durch. „Er meinte, es hätte ausgesehen, als wäre der Bogen ein Teil Eures Körpers.“
„Dryden übertreibt.“
„Das würde nicht zu ihm passen. Wie auch immer, ich sollte Eure Schulter untersuchen, wenn Ihr mit dem Holzhacken fertig seid.“
„Warum?“
Weil ich es genieße, mich selbst zu quälen. Weil ich Euch berühren will .
Sie schluckte schwer. „Um nach Anzeichen für eine Entzündung zu suchen.“
„Wenn Ihr wollt, dass ich meine Tunika ausziehe, müsst Ihr es nur sagen.“
„Ich sollte es so belassen, bis Euch der Arm abfault“, gab sie mit glühenden Wangen zurück.
„Das klingt nicht besonders freundlich.“
„Es ist mehr als Ihr verdient.“
Langsam beugte er sich vor, bis sie seinen Atem warm an ihrer Wange spürte. „Öffnet Euren Mund.“
Ihr stockte der Atem. „Wie bitte?“
„Ich sagte, macht den Mund auf. Ich habe etwas für Euch.“
„Ihr seid albern.“ Ihr Herz schlug wie bei einem wilden Tier auf der Flucht, schnell und flatternd. Aber ihre Füße regten sich nicht.
„Glaubt mir einfach für den Moment, dass ich nicht vorhabe, Euch zu schaden.“
Der sanfte Klang seiner Stimme weckte
Weitere Kostenlose Bücher