Verwegene Herzen (German Edition)
bekommen.
Will nutzte den Moment und sprang vor. Er packte den Gegner mit seinem Helm unter dem Kinn und stieß ihm die Fackel ins Gesicht. Der Mann schrie. Dann ließ er das Schwert fallen und stürzte hintenüber. Der Gestank von verbranntem Fleisch vermengte sich mit dem nach Schimmel.
Einer der zuvor gestürzten Wächter versuchte, ihn aus dem Gleichgewicht zu bringen, indem er seinen Fußknöchel umfasste. Will trat ihm gegen den Kopf und packte das Schwert des verbrannten Mannes. „Keine Bewegung!“
Dann sprang er in den Gang hinaus, wo der Soldat mit dem zerschmetterten Arm kauerte. Will nahm ihm das Schwert ab und hielt nun beide Waffen hoch. „In die Zelle – schnell.“
Meg nahm den anderen Wächtern die Helme ab. Während Will überlegte, was er mit den unerwünschten Gefangenen tun sollte, nahm sie die Schlüssel und zwei Paar Handschellen.
„Ich glaube, die waren für uns gedacht“, sagte sie.
„Einfach skandalös, wie sich die Menschen in Nottingham gegenüber Gästen verhalten.“
„Ich werde nicht wieder herkommen.“
Er fesselte die Wächter und warf die Waffen in die Zelle.
„Nimmst du die Schwerter nicht mit?“
„Ich kann nur zwei tragen. Es ist besser, sie bleiben hier eingeschlossen als draußen im Gang, wo andere sie sehen könnten.“
„Gib mir eines.“
„Frau, du wirst jemandem den Fuß abschneiden.“
„Das werden die hier kaum noch merken. Außerdem brauche ich etwas, auf das ich mich stützen kann. Irgendetwas.“
Er seufzte, dann reichte er ihr die zierlichste der Waffen, ein Schwert mit einem leichten Knauf und Verzierungen an der Klinge. „Sei vorsichtig.“
Sie nickte nur, hastete aus der Zelle und überließ es ihm, die Tür hinter ihnen zu schließen. Sein Herz schlug wie rasend, aber der Kampf war noch nicht zu Ende. Hier in dem engen Korridor des Verlieses konnte er ebenso wenig anhalten und sich ausruhen, wie er sich die Zeit nehmen konnte, Meg zu küssen, obwohl ihn nach beidem geradezu schmerzlich verlangte.
Zuerst die Freiheit.
„Wir haben nicht viel Zeit“, sagte er. „Deine Schwester muss irgendwo hier sein.“
Mit entschlossener Miene packte sie seinen Arm. In diesem Moment, zusammen in dem fahlen Licht, hätte er beinahe ihre Augen vergessen – nicht, dass sie blind war, sondern den seltsamen Glanz, den er immer so befremdlich gefunden hatte. Und der ihm verriet, dass sie wieder nachdachte. „Ich habe eine einzige Fackel bemerkt, ist das richtig?“
Am liebsten wäre er sofort geflohen, hätte irgendetwas getan, doch er wartete ab. „Ja.“
„Haben sie sie mitgebracht oder von einer Befestigung an der Wand genommen?“
Er blickte den Gang entlang. Ein Dutzend Fackeln erhellten ihn, und nur wenige Stellen lagen im Schatten, abgesehen von der dunklen Nische neben ihrer Zellentür. Eine Halterung war leer.
„Von der Wand“, entgegnete er.
„Sieh dir den Gang an und präge dir ein, was du siehst.“ Sie blinzelte und lächelte. „Dann lösch die Fackeln.“
Abwehrend verzog er das Gesicht. Dass er sich seit Kurzem angewöhnen sollte, im Dunkeln umherzustolpern und ganz auf Meg zu vertrauen, gefiel ihm nicht.
„Vertrau mir.“ Sie hatte seine Gedanken erraten. „Und jetzt geh.“
Die letzte der Fackeln verlöschte zischend. Will fluchte, als er gegen irgendeinen Gegenstand stieß. „Verdammt!“
„Alles in Ordnung?“ Meg versuchte gar nicht, ihre Belustigung zu verbergen, trotz der Gefahr.
„Nein, und das weißt du genau. Wie kommst du jeden Tag damit zurecht?“
Sein widerstrebendes Kompliment dämpfte ihre Erheiterung. Sie schlug mit dem leichten Schwert an die Mauer zu ihrer Rechten. Stein, Stein. Holz. Sie hielt inne und schlug mit der Hand dagegen. „Sollen wir losgehen?“
Die Zeit verstrich, während sie sich langsam den Gang hinunter bewegten, ohne Erfolg zu haben. Sie öffneten jede Tür, nur um eine leere Zelle zu finden oder eine elende Gestalt, die wegen dieses oder jenes Verbrechens festgehalten wurde. Immer drängender wurde ihr Bedürfnis, in jedem Winkel nach Ada zu suchen. Ihre Finger tasteten voller Unruhe über den Stein, an dem sie entlang gingen, trugen Kratzer und Wunden davon bei jeder unachtsamen Bewegung. Sie fühlte einen üblen Geschmack im Mund. Sie durften jetzt nicht scheitern, nachdem sie so weit gekommen waren. Die wenigen Momente, die ihnen noch blieben, zerrannen ihnen zwischen den Fingern.
Will nahm ihre Hand. „Bleib ruhig, Meg. Wenn du dich nicht konzentrieren kannst, sind wir
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