Verwesung
Schritte im Hintergrundlärm untergingen.
Was sollte das denn?
Ich war zu müde, um mich aufzuregen.
Aber was eine Drohung war, wusste ich.
Kapitel 29
Nachdem Simms weg war, hatte ich ein wenig schlafen können, allerdings war es in der Notaufnahme so unruhig, dass ich immer wieder aufwachte. Dennoch fühlte ich mich danach besser und einigermaßen erholt. Während ich geschlafen hatte, waren mir meine Sachen gebracht worden, zwar ungewaschen, aber getrocknet und ordentlich zusammengelegt in einer Plastiktüte. Die Dreck- und Blutspuren bewiesen, dass die Ereignisse der letzten Nacht tatsächlich passiert waren, sosehr ich mir auch das Gegenteil wünschte.
Niemand konnte mir etwas über Sophie sagen, doch ich überredete eine der Krankenschwestern, sich zu erkundigen. Sie berichtete mir, dass sie die Operation überstanden hatte, ihr Zustand aber noch kritisch war. Ich sagte mir, dass man nach einer Notoperation am Kopf nichts anderes erwarten konnte, denn um das angesammelte Blut abfließen zu lassen, hatten die Ärzte ein Stück des Schädelknochens entfernen müssen.
Jedenfalls munterte mich die Nachricht nicht gerade auf. Ich zog mich an und saß grübelnd in meinem Krankenzimmer herum, bis schließlich eine Assistenzärztin kam und mir sagte, dass ich gehen könne.
«Wo ist die Intensivstation?», fragte ich sie.
Dort war es ruhiger und weniger hektisch als in der Notaufnahme, aber man spürte den Druck und die Anspannung. Die Stationsschwester wollte mich nicht zu Sophie lassen, und angesichts meiner zerrissenen und verdreckten Kleidung hätte ich wahrscheinlich genauso reagiert. Zum zweiten Mal innerhalb weniger Tag musste ich erklären, dass ich nur wissen wollte, wie es ihr geht. Sie blieb unnachgiebig und sagte, dass sie Informationen nur an die nächsten Angehörigen weitergeben dürfe. «Wenn Sie mir gesagt hätten, Sie wären ihr Ehemann oder Verlobter …» Sie baute mir eine Brücke, aber ich zögerte.
«Dr. Hunter!» Es war Sophies Stimme. Ich drehte mich um, in der albernen Hoffnung, sie wäre wundersamerweise genesen. Doch es war eine andere Frau, die im Gang auf mich zukam. Da ihr Gesicht verheult war, dauerte es einen Moment, ehe ich Sophies Schwester erkannte. Sie ließ mir keine Chance, etwas zu sagen. «Was machen Sie hier?» Sie bebte vor Aufregung, die Knöchel ihrer Hände, mit denen sie ein Taschentuch umklammerte, waren weiß.
«Ich wollte mich erkundigen, wie es Sophie geht …»
«Wie es ihr geht? Meine Schwester liegt auf der Intensivstation! Man hat ihr den Schädel aufgeschnitten, so geht es ihr!» Sie wurde von Weinkrämpfen geschüttelt. «Es könnte eine Gehirnverletzung sein oder, oder …»
«Es tut mir leid.»
«Es tut Ihnen leid? Das ist ja die Höhe! Sie haben gesagt, Sie würden auf sie aufpassen! Ich wollte, dass sie zu mir kommt, wo sie in Sicherheit gewesen wäre. Stattdessen hat sie …» Sie wandte sich an die Stationsschwester. «Ich möchte nicht, dass dieser Mann meine Schwester besucht! Wenn er wiederkommt, schicken Sie ihn weg!»
Dann drehte sie sich auf dem Absatz um und lief den Gang entlang davon. Die Krankenschwester sah mich betreten an. «Tut mir leid, aber sie ist eine nahe Angehörige …»
Ich nickte. Es war zwecklos. Die schweren Türen der Intensivstation schlugen mit einer trostlosen Endgültigkeit hinter mir zu, als ich zurück in den Haupttrakt ging.
Es gab noch einen Menschen, den ich besuchen musste.
Ich irrte von einer Station zur anderen, bis ich endlich herausfand, in welcher Steph Cross lag. Zuerst dachte ich, die Polizistin würde schlafen, denn ihre Augen waren geschlossen. Der Feigling in mir war erleichtert. Doch als ich mich ihrem Bett näherte, machte sie die Augen auf und sah mich direkt an.
Sie sah fürchterlich aus. Das blonde Haar klebte ihr strähnig am Kopf. Ihr Gesicht war noch schlimmer verfärbt und geschwollen, als es Sophies gewesen war, und ihr Kiefer wurde durch ein schmerzhaft aussehendes Gestell aus Drähten und Schrauben zusammengehalten.
Jetzt, wo ich hier war, wusste ich nicht, was ich sagen sollte. Eine Weile schauten wir uns nur an, dann nahm sie einen Schreibblock vom Nachttisch, schrieb kurz etwas auf und drehte ihn so, dass ich es lesen konnte.
Sieht schlimmer aus, als es ist. Morphium wirkt super.
Ich musste unwillkürlich lachen. «Das freut mich zu hören.»
Sie kritzelte erneut etwas und drehte den Block um.
Sophie???
Ich wählte meine Worte mit Bedacht. «Sie wurde operiert
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