Verwöhne mich mit Zärtlichkeit
war Cristal aus der Tür. Sekunden später röhrte ihr PS-starkes Cabrio durch den Canyon.
“Wer ist sie?”, wollte Marissa wissen. “Wie ist sie so lebensklug geworden?”
“Niemand weiß Näheres über Cristal”, erwiderte Billy. “Eines Tages kam sie nach Silverton, es gefiel ihr, und sie blieb. Sie ist eine gute Zuhörerin, redet aber selten viel. In den fünf Jahren, die sie jetzt in der Stadt ist, habe ich sie noch nie so viel an einem Stück sagen hören wie eben. Über ihr Leben vor ihrer Ankunft in Silverton ist rein gar nichts bekannt. So, wenn Sie mich jetzt bitte entschuldigen würden.” Billy nahm seinen Hut vom Kaminsims. “Ich habe noch zu arbeiten, und Sie beide müssen noch einiges entscheiden. Jefferson, ich hätte ein paar Dinge mit Ihnen zu besprechen, würden Sie mich zum Wagen begleiten?”
Die Sonne war längst untergegangen. Die langen Schatten im Canyon waren von der Nacht verschluckt worden, der Mond stand jetzt am Himmel.
Nach dem Abendessen saß Marissa auf der obersten Stufe der Verandatreppe, und Satan leistete ihr Gesellschaft. Der Dobermann schien zu spüren, wann sie seine Nähe brauchte und wann nicht. Heute Abend hatte er sich dicht neben sie gelegt und schlief.
Statt froh und zufrieden zu sein, weil es nach stundenlanger Anstrengung geschafft war, dass die Pferde aus dem abgelegenen Teil des Canyons wieder auf der nahen Weide grasten, konnte Marissa an nichts anderes als an Cristals kleine Rede denken.
“Dann, Lady, kennen Sie Ihren Mann nicht”, wiederholte sie leise die letzte dieser wirklich verblüffenden Feststellungen.
“Sie hat recht.” Jefferson stand am Fuß der Treppe.
Nach dem Essen, das sie beide kaum angerührt hatten, war Marissa nach oben gegangen, um nach dem langen, staubigen Ritt ein Bad zu nehmen. Jefferson kam jetzt aus dem Stall, wo er nach den Stuten gesehen hatte, die demnächst Fohlen bekamen. Marissa hatte nicht angeboten, ihm dabei zu helfen, denn sie musste nachdenken.
“Ich habe dich gar nicht kommen hören.” Sie sah zu ihm hinunter. Sein Haar war nass und daher dunkler. Sein Hemd war offen, sein Gürtel nicht geschlossen. Jefferson hatte offenbar im Bach gebadet. Bei der Vorstellung, wie er nackt im Wasser stand, in dem sich tausendfach der Mond spiegelte, stieg heißes Verlangen in ihr hoch.
Weil sie sich plötzlich unsicher fühlte, sagte sie das Erstbeste, was ihr in den Sinn kam. “Du hast dein Haar schneiden lassen.”
Jefferson reagierte nicht amüsiert auf diese unsinnige Bemerkung. “Schon vor Jahren. Aber du deins auch.”
Sein Gesicht war nicht genau zu erkennen, doch Marissa wusste auch so, dass er sie eingehend betrachtete. “Kürzer war es bequemer.”
“Ja.”
Angestrengt versuchte sie, seine Miene zu deuten. Es gelang ihr nicht. Da holte sie tief Atem, nahm ihren Mut zusammen und flüsterte: “Ist es wahr?”
Jefferson tat nicht so, als verstünde er nicht, was sie meinte. “Es ist wahr.”
“Du hast all die Jahre auf mich gewartet?”
“Ehe ich wieder von dir gehört habe, war mir gar nicht bewusst, dass ich gewartet hatte, doch ja, es stimmt.”
“Du würdest mich kein zweites Mal gehen lassen?”
“Nur wenn es sicher wäre, und wenn du mich nicht liebtest.” Seine Hand lag auf dem Treppengeländer, doch er machte keine Anstalten, zu ihr hinaufzugehen.
“Cristal sprach von Liebe.” Gebannt schaute sie auf seine schlanke Gestalt.
“Ich liebe dich, Marissa. Länger als du ahnst.”
Es war eine schlichte Liebeserklärung, und gerade deswegen besonders schön. Marissa traten Tränen in die Augen, doch diesmal blinzelte sie sie nicht weg. “Vier Jahre zu warten ist sehr lang.”
“Ich würde noch länger warten, wenn es sein müsste.”
“Wenn ich dich bitte, die Ranch nicht zu verlassen, würdest du dann bleiben?”
“Nicht, wenn du gehst.”
“Selbst wenn ich dich nicht liebe?”
“Selbst dann.” Leise ergänzte er: “Aber du liebst mich, Marissa. Ich habe es gespürt, als wir uns in der Weite Argentiniens wiedersahen. Ich habe es am See in Simons Tal gespürt. Und ich spüre es hier. Ich bin Teil jedes Atemzugs, den du machst, Teil jedes Schlags deines Herzens. So wie du es auch bei mir bist.”
Die Tränen liefen ihr nun über die Wangen. “Wenn ich bleibe”, flüsterte sie heiser, “was passiert dann?”
“Was möchtest du denn, das geschieht, Liebste? Sag es mir, und ich werde mein Bestes tun, deinen Wunsch zu erfüllen und dich glücklich zu machen.”
Marissa
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