Verwuenscht und zugenaeht
Kissen â ein Kissen mit starken Muskeln.
Nur undeutlich nehme ich wahr, wie das Motorrad irgendwo auf den Boden kracht. Ich atme ein paar Mal tief durch und versuche mein wild schlagendes Herz zu beruhigen. Es rast hochtouriger als noch vor ein paar Sekunden das Motorrad.
Unsere Beine sind ineinander verschlungen und die Schnallen an seinen Stiefeln drücken gegen meine Wade. Meine Hüfte ist gegen seinen Körper gepresst und er hält mich mit einem Arm umfasst, sodass seine Hand auf meinem Rücken liegt.
Der Helm hängt mir fast vor den Augen und ich schiebe ihn etwas zurück. Die Schutzbrille ist mit einer dünnen Staubschicht überzogen, die meine Sicht verschleiert.
Bens kristallklare blaue Augen kann ich aber trotzdem erkennen.
Schweigend sehen wir uns an.
Ich habe nur einen einzigen Gedanken im Kopf: Würde er mich küssen, wenn ich nicht diesen blöden Helm aufhätte?
Ich hasse mich dafür, dass ich den Helm verfluche. Mit dem Kunststoffvisier und den groÃen Plastikdingern vor meinem Kinn ist ein Kuss unmöglich.
Ich sollte dankbar sein, dass ich den Helm aufhabe, denn nur er hält mich davon ab, die Grenze zu übertreten und die Freundschaft zu Nicole für immer zu zerstören.
»Bist du ⦠okay?«, fragt er schlieÃlich. Ich bin überrascht, dass ich ihn verstehen kann, denn mein Herzschlag dröhnt laut in meinen Ohren. Als ich nicke, rutscht der Helm hin und her.
Seine schönen, vollen, zum Küssen geradezu einladenden Lippen verziehen sich zu einem Lächeln. »Hatte ich dir nicht gesagt, du sollst die Kupplung langsam kommen lassen?«
»Ich weià nicht mal, was das bedeutet«, erwidere ich mit heiserer Stimme und räuspere mich.
Ich sollte jetzt aufstehen und auf Abstand gehen, aber ich kann mich einfach nicht von der Stelle rühren. Ich werde ihm nie wieder so nah sein und ich will nicht, dass es endet.
Er bewegt sich unter mir und mir wird klar, dass ich es nicht weiter hinauszögern kann. Während ich mich von ihm löse, habe ich das Gefühl, etwas zu verlieren. Als müsste ich etwas aufgeben, das ich nie wieder haben kann.
Plötzlich bin ich froh, dass ich den Helm aufhabe. So kann ich wenigstens meinen Gesichtsausdruck verbergen. Ich weià nicht einmal, was sich darin widerspiegelt, so viele Gefühle toben in mir: Sehnsucht, Schmerz, Verwirrung, Angst ⦠und Liebe.
Er rappelt sich auf und klopft den Dreck von der Hose. Seine Schultern und seine Brust heben und senken sich schneller als sonst. Rast sein Herz etwa genauso wie meins?
Ich nehme die Schutzbrille und den Helm ab und fahre mit den Fingern durch mein Haar. Hoffentlich sehe ich nicht total abgewrackt aus. »Vielleicht sollten wir die Ãbungsstunde auf einen anderen Tag verschieben«, sage ich und grinse ihn an, um meine wahren Gefühle zu verbergen. »Und beim nächsten Mal trage ich einen gepolsterten Ganzkörperanzug.« Ich lache gekünstelt. Kommt Ben etwa näher oder bilde ich mir das nur ein? Unsicher trete ich einen Schritt zurück. Mein Motorrad liegt ein paar Meter entfernt auf der Seite. Obwohl ich weiÃ, dass es in ein paar Tagen sowieso verschwindet, zucke ich beim Anblick der fast schrottreifen Maschine zusammen.
»Warum habt ihr Schluss gemacht?«, frage ich abrupt, ohne den Blick von dem Motorrad abzuwenden.
Ben atmet hörbar aus und fährt sich mit den Fingern durchs Haar. »Ganz ehrlich? Es hat irgendwas gefehlt. Wir haben wirklich alles versucht. Wir sind essen gegangen, waren im Kino, haben unser Dreimonatiges gefeiert und uns gegenseitig unseren Eltern vorgestellt. Aber es hat einfach nicht gereicht.«
»Also hast du sie verlassen?«
Er lacht auf und ich drehe mich überrascht um. Im Licht der Stadionbeleuchtung sieht er noch umwerfender aus als sonst. »Nein, sie hat mich verlassen. Sie hat mich damit völlig überrumpelt, aber sie hatte Recht. Da war nichts mehr zwischen uns.«
»Oh«, hauche ich.
Ob es zwischen uns etwas gibt? Empfindet er dasselbe für mich, was ich für ihn empfinde? Zählt er unsere Berührungen?
»Ich sollte mich jetzt auf den Weg machen«, sage ich und gehe zu meinem Motorrad hinüber. »Ich habe Hausarrest und Mum bringt mich um, wenn sie zu Hause anruft und mitbekommt, dass ich nicht da bin.«
Bevor ich das Motorrad aufstellen kann, ist Ben bei mir und hält mich am Arm fest. »Was ist in den
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