Verwüstung - Eine Geschichte des Dreißigjährigen Krieges
Ländern hielt, hatte sie schon früh zur Verhandlung freigegeben –, Gotland und Ösel an die schwedische Krone abgetreten. (Die beiden norwegischen Kirchspiele Särna und Idre, die ja im Rahmen einer halb privaten Initiative erobert worden waren, wurden in der Eile gleichsam vergessen und blieben unter schwedischer Oberhoheit. Dies beruhte wohl zu einem Teil auf dem Umstand, dass weder die Regierenden in Stockholm noch die in Kopenhagen mehr als nebelhafte Vorstellungen davon hatten, wie es in diesen Grenzgebieten wirklich aussah. Im schwedischen Rat gab es mehrere Herren, die mit der fast lächerlich komplizierten politischen Geographie des deutschen Reiches vertrauter waren als mit der schwedischen.) Als Sicherheit für die Zollfreiheit erhielt Schweden die dänische Landschaft Halland auf 30 Jahre. Erobertes Material konnte behalten werden, alle Gefangenen sollten ohne Lösegeld freigelassen werden, und alles, was während des Krieges geschehen war, sollte hinfort begraben und vergessen sein.
Der Austausch der Traktate erfolgte am gleichen Tag, auf der Spitze des kleinen Grenzholms. Der französische Vermittler stellte sich erneut an den runden Grenzstein, woraufhin ihm der dänische Sekretär und sein schwedischer Kollege gleichzeitig die unterzeichneten Dokumente überreichten; mittels einer eleganten Überkreuzbewegung schickte de la Thuilerie – begleitet von Trompetenschall – die Traktate von Hand zu Hand. Es folgten Prozessionen, Reden, Höflichkeiten, Händeschütteln et cetera. Die Bevölkerung von beiderseits der Grenze hatte sich auf dem Holm versammelt und feierte den Frieden mit Tanz und Gesang. Auch in Stockholm war die Freude groß, als die Nachricht vom Friedensschluss eintraf. Nun hatte man Revanche genommen für den Krieg 1611 bis 1613 . Nun war jedermann klar, dass das einst so mächtige Dänemark, Schwedens großer Bruder, nicht mehr der Staat war, der Skandinavien dominierte, und dass das Machtverhältnis zwischen den beiden Reichen endgültig zugunsten Schwedens verschoben war. Nun stand fest: Schweden war die neue Großmacht in Nordeuropa. Und als der schwedische Chefunterhändler, Axel Oxenstierna, seinen triumphalen Einzug in Stockholm hielt, erhob eine dankbare Königin Christina ihn in den Stand eines Grafen über Södra Möre in der Provinz Kalmar – Södra Möre umfasste elf Kirchspiele und warf jährlich die nette Summe von 200 000 Reichstalern ab. Als der dänische Chefunterhändler Corfitz Ulfeldt seinem Regenten gegenübertrat, schlug Christian ihm das unterzeichnete Friedenstraktat ins Gesicht.
Die Flotten segelten, eifrig Salut schießend, Richtung Heimat. Die schwedische Armee in Schonen trabte nach Hause, tief gebeugt unter der Last ihrer Beute – als klar war, dass der Frieden bevorstand, hatten die Regierenden in Stockholm Horn instruiert, «das Land dort auszunutzen, soweit es möglich ist, und dessen nicht zu achten, wie es dort weitergehe, nachdem wir es verlassen müssen».
Die Reaktionen derer, die nun dem schwedischen Reich einverleibt wurden, waren unterschiedlich. In dieser Epoche war der Staat ein nebelhafter, abstrakter Begriff, und Nationalgefühl war etwas Unbekanntes. Die Menschen identifizierten sich in erster Linie mit der Gegend, in der sie geboren waren, und erst an zweiter oder dritter Stelle kam das Reich. Für die meisten war es auch nebensächlich, welche Nationalität ihr Fürst oder Herrscher als die seine ausgab. Oft war sein Glaubensbekenntnis wesentlich wichtiger. Es wäre jedoch falsch zu behaupten, dass die Frage, ob man Schwede oder Däne war, auf das Gleiche hinauslief. Dass das schwedische Reich nun die Oberhand über sein südliches Nachbarland gewonnen hatte, lag unter anderem auch daran, dass die schwedische Staatsverwaltung eine ganz andere Macht hatte als die dänische, eine Verwaltung, die es entschieden besser verstand, die für die Führung eines modernen Großkriegs erforderlichen Mittel zusammenzutreiben, zu kanalisieren und zu nutzen. Dies war indessen kein Grund zum Jubeln für die schwedische Landbevölkerung, denn je mehr ihr Staat an Größe, Kompetenz und kriegerischen Ambitionen zunahm, umso mehr hatten sie sich damit abzufinden, notiert, kontrolliert, besteuert und ausgehoben zu werden. Doch hatte es manche kleinen Vorteile für einen gewöhnlichen Bauern, schwedischer Untertan zu sein. Vor allem bedeutete es, dass er einen gewissen politischen Einfluss hatte und von dem harten Druck verschont war, unter dem seine
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