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Verzaubert!

Verzaubert!

Titel: Verzaubert! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Madore
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Königin hatte bereits verzweifelt in den Büchern und Broschüren, die allüberall im Land veröffentlicht wurden, um den Frauen zu sagen, wie sie ihre Schönheit länger bewahren konnten, durchsucht, doch sie fand dort weder Rat noch Trost. Schließlich sank sie in ihrem Schlafzimmer vor dem riesigen Spiegel, der an der Wand hing, zusammen, und rief voller Verzweiflung:
    “Spieglein, Spieglein an der Wand
,
    wie lang noch bin ich die Schönste im Land?
    War all mein Mühen vergebens?
    Hilf mir, weiter schön zu leben!”
    Nun war es aber so, dass die Spiegel des Königreichs, zusammen mit den Büchern und Broschüren, Teil des Fluchs waren; ja, man muss sogar sagen, dass die Spiegel die wahren Instrumente des bösen Zaubers waren. Erst durch sie gewann er seine Kraft und seine Stärke.
    Der Spiegel hatte geduldig auf diese Gelegenheit gewartet und antwortete:
    “Deine Schönheit war einst ohne Gleich
,
    doch bald bist du nicht mehr die Schönste im Königreich!
    Finde ein Mädchen, so schön wie du.
    Iss ihr Herz und finde Ruh!”
    Die Königin keuchte auf. Welch schreckliche Worte der Spiegel zu ihr gesprochen hatte!
Iss ihr Herz und finde Ruh!
Wie entsetzlich – so ein Herz musste doch der reinste Dickmacher sein! Sie trat näher an den Spiegel und blickte hinein. Zu ihrem Entsetzen entdeckte sie unter jedem Auge zwei winzige, zarte Fältchen, die sich dort eingenistet hatten. Sie kreischte und wandte sich abrupt vom Spiegel ab.
    Iss ihr Herz und finde Ruh!
    Sie ertrug den Spiegel nicht länger. Fluchtartig verließ sie ihr Schlafzimmer. Auf dem Flur aber begegnete sie ihrer Stieftochter Schneewittchen. Das Mädchen wurde so genannt, weil ihre Haut so klar und hell war wie frisch gefallener Schnee. Die Königin hatte das Mädchen nie besonders gemocht. Das war für diese Zeiten nichts Ungewöhnliches, Frauen mochten selten andere Frauen, nicht einmal als Kind. Immerhin hatte die Königin Schneewittchen akzeptiert, weil sie sie an deren Vater erinnerte.
    Doch bei dieser Begegnung stockte der Königin der Atem: Dieses lästige Kind war zu einer ebenso außergewöhnlichen Schönheit herangewachsen, wie sie selbst einst gewesen war.
Finde ein Mädchen so schön wie du.
Die Königin erschauderte, als sie erneut an die Worte des Spiegels erinnert wurde. Barsch befahl sie Schneewittchen, ihrer Arbeit in der Küche nachzugehen.
    So ging einige Zeit ins Land. Das arme Schneewittchen war gezwungen, wie eine Magd im Haus ihres Vaters zu schuften. Währenddessen konnte ihre Stiefmutter aber den Anblick von Schneewittchen kaum ertragen. Jedes Mal wenn sie dem Mädchen begegnete, verspürte sie nahezu körperliche Schmerzen, die sich immer tiefer in sie hineinbohrten.
    Eines Morgens – der Tag der Abdankung rückte immer näher – stand die Königin wieder zutiefst unglücklich vor dem großen Spiegel in ihrem Schlafzimmer. Und obwohl sie einen kurzen Moment lang zögerte, wiederholte sie ihre armselige Bitte erneut:
    “Spieglein, Spieglein an der Wand
,
    wie lang noch bin ich die Schönste im Land?
    War mein Mühen denn vergebens?
    Hilf mir, für immer schön zu leben!”
    Der Spiegel hatte schon darauf gewartet, dass die Königin ihn erneut um Rat fragte, und antwortete ungerührt:
    “Deine Schönheit war einst ohne Gleich
,
    doch bald bist du nicht mehr die Schönste im Königreich!
    Schneewittchen ist so schön wie du!
    Iss ihr Herz und finde Ruh!”
    Die Königin wandte sich erneut ab. Sie zitterte vor Wut, griff wahllos nach einem Stuhl, der in der Nähe stand und wollte ihn in den Spiegel schleudern. Nie wieder sollte der Spiegel sich erlauben, ihr so etwas anzutragen!
    Doch dann hielt sie inne. Zum einen, weil sie glaubte, dass der Spiegel ihr den einzigen Ausweg aufgezeigt hatte. Zum anderen aber hatte sie in ihrem ausgehungerten Zustand nicht die Kraft, den Stuhl hochzuheben, geschweige denn zu schleudern. Sie setzte sich stattdessen auf ihn und überlegte. Wenn es der einzige Weg war, ihre Schönheit zu bewahren – dann würde sie Schneewittchens Herz eben essen!
    Sie beschloss zu handeln. Sie wollte es schnell hinter sich haben und ließ nach ihrem treuesten Diener schicken. Dieser war jedoch in Wahrheit ein hübscher Prinz, der sich verkleidet hatte, denn er war in die Königin verliebt und konnte ihr auf diese Weise nah sein. Geduldig wartete er auf die richtige Gelegenheit, ihr Herz zu gewinnen.
    Der Prinz lauschte dem ungewöhnlichen Wunsch seiner Königin und starrte sie ungläubig aus seinen schönen

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