Verzaubert in Florenz
Siegerpodest gestanden hatte.
Als Alessa bat, an diesem Abend unter Georgias Aufsicht zu baden, stimmte diese gern zu. Zu ihrem Erstaunen erbot sich Pina, in der Zwischenzeit Georgias Koffer auszupacken und die Sachen in den Schrank zu hängen.
Ein Angebot, das Georgia mit Freuden annahm, denn sie fand eine Badestunde mit Alessa wesentlich vergnüglicher. Nachdem sie mit zwei Plastikschiffchen einige Rennen in der Wanne veranstaltet hatten, wusch Georgia Alessa das dichte schwarze Haar, wickelte dann das Kind in ein Handtuch und knuddelte und kitzelte es beim Abtrocknen, was der Kleinen sehr gefiel. Dann zog Georgia ihrem Schützling das Nachthemd an, trocknete und kämmte ihm die dunklen Locken, während das kleine Mädchen sich vertrauensvoll an sie schmiegte. Wohlhabenheit und Luxus sind eben kein Ersatz für Mutterliebe, dachte Georgia voller Mitleid. Allein bei dem Gedanken, dass ihre Mutter sterben könnte, verspürte Georgia einen Stich im Herzen, und sie war immerhin eine erwachsene Frau von sechsundzwanzig Jahren. Wie schlimm musste es da erst für ein zwanzig Jahre jüngeres Mädchen sein, die Mutter zu verlieren! Instinktiv drückte sie das Kind liebevoll an sich.
“Natürlich kannst du schon selber lesen”, begann Georgia dann diplomatisch. “Aber da heute unser erster gemeinsamer Tag ist, würde ich dir gern eine Gutenachtgeschichte vorlesen, wenn du das willst.”
Alessa, deren Lider schon schwer wurden, nickte und sagte, dass ihr Papa ihr auch immer etwas vorlese, wenn er abends rechtzeitig nach Hause komme. Georgia wählte das Märchen vom gestiefelten Kater und nutzte ihr schauspielerisches Talent dazu, die einzelnen Figuren mit unterschiedlichen Stimmen darzustellen.
Bald gesellte sich auch Pina zu ihnen und hörte aufmerksam zu. Ihr Blick ruhte so liebevoll auf dem Kind, dass Georgia sich zumindest in einem sicher war: Mochte Alessa auch die Mutter verloren haben, es fehlte ihr nicht an Liebe. Nicht nur Pina, sondern in erster Linie natürlich Alessas Vater, ihr Onkel und auch die energische und verlässliche Elsa umsorgten die Kleine liebevoll.
Nachdem die Geschichte zu Ende war, sträubte sich Alessa nicht gegen Pinas Anordnung, schlafen zu gehen. Das kleine Mädchen bedankte sich bei Georgia für die Gutenachtgeschichte, nahm ihr das Versprechen ab, am nächsten Tag wieder etwas vorzulesen, und kletterte ins Bett.
“Weißt du, Georgia, ich war böse auf Papa, weil ich Englisch lernen muss. Aber dich mag ich. Magst du mich auch?”
Über Alessas Kopf hinweg begegnete Georgia Pinas Blick. Sie war froh, in den Augen des Kindermädchens nicht die Spur von Eifersucht zu entdecken. “Ja, ich mag dich auch sehr, Alessa. Ich glaube, wir beide werden gut miteinander auskommen.”
Beruhigt schloss das Kind die Augen. “Gute Nacht, Georgia.”
“Gute Nacht, mein Schatz. Bis morgen früh.”
Zu Georgias angenehmer Überraschung hatte das Kindermädchen ihre Sachen nicht nur ausgepackt und in den Schrank gehängt, sondern sie, wo es nötig war, auch noch gebügelt.
“Pina, du bist ein Engel”, sagte Georgia laut und durchforstete ihre Garderobe nach einem passenden Kleid für das bevorstehende Dinner. Welchen Aufzug erwartete man wohl von einer Frau, die man verdächtigte, ein Verhältnis mit dem Mann ihrer Schwester zu haben? Sie griff nach einem klassisch geschnittenen schwarzen Leinenkleid und hielt es sich vor dem Spiegel an. Genau das Richtige. Dazu schlichte Perlenohrstecker und schwarze Leinenpumps. Das würde wohl seriös genug sein.
Da sie bis zum Dinner noch mehr als eine Stunde Zeit hatte, beschloss sie, kurz an James zu schreiben. Er hatte in seinem letzten Brief ihren Entschluss heftig kritisiert, in den Ferien zu arbeiten, was sie verärgert und eher noch darin bestärkt hatte, Signor Sardis Angebot anzunehmen. Mit ihrem jetzigen Brief wollte sie James wieder versöhnlich stimmen, weshalb sie ihm ihre derzeitige Umgebung nicht so enthusiastisch schildern wollte, wie es der Villa Toscana angemessen gewesen wäre. Nachdenklich kaute sie an ihrem Kugelschreiber und versuchte sich James’ Gesicht vorzustellen, doch gegen ihren Willen drängte sich immer wieder ein schmales Gesicht mit funkelnden blauen Augen dazwischen. Sie fühlte sich innerlich so weit von James entfernt, dass sie ein schlechtes Gewissen bekam.
Nicht dass sie offiziell mit ihm verlobt gewesen wäre. Sie hatte ihn nur bei Marco Sardi als ihren Verlobten ausgegeben, weil ihr keine andere Bezeichnung für ihn
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