Verzaubertes Verlangen
herausfinden, womit wir es hier zu tun haben«, sagte Venetia ruhig und mit Nachdruck. »Es ist immer wichtig, seinen Gegner zu kennen.«
»In dem Fall werden wir dich begleiten, wenn du diesem Mann gegenübertrittst«, erklärte Amelia und machte Anstalten, vom Tisch aufzustehen.
»Selbstverständlich«, pflichtete Beatrice ihr bei.
»Ich werde auch mitkommen und dich beschützen, Venetia«, verkündete Edward.
»Ich halte es für das Beste, wenn ihr alle drei hier wartet, während ich mit unserem Besucher spreche«, wiegelte Venetia ab.
»Du kannst doch nicht allein zu ihm gehen«, beharrte Beatrice.
»Ich habe uns diesen Schlamassel eingebrockt, indem ich Mr. Jones’ Namen angenommen habe.« Venetia knüllte ihre Serviette zusammen und stand auf. »Deshalb bin ich auch dafür verantwortlich, eine Lösung zu finden. Außerdem wird dieser Hochstapler zweifellos mehr von seinen wahren Absichten enthüllen, wenn er denkt, dass er es nur mit einer Person zu tun hat.«
»Das stimmt wohl«, räumte Beatrice ein. »Meiner Erfahrung nach wähnt sich ein Mann, der mit einer Frau allein ist, oft in dem Glauben, er hätte die Oberhand.«
Edward runzelte die Stirn. »Warum das, Tante Beatrice?«
»Ich habe keine Ahnung, Schatz«, antwortete Beatrice geistesabwesend. »Vermutlich liegt es daran, dass sie oft größer von Statur sind. Nur sehr wenige von ihnen scheinen zu verstehen, dass letztendlich Intelligenz, nicht Muskelkraft wirklich zählt.«
»Die Sache ist«, mischte sich Amelia besorgt ein, »dass dieser spezielle Mann dir durchaus körperlich gefährlich werden könnte, Venetia. Und in einer solchen Situation spielen Größe und Statur durchaus eine Rolle.«
»Ich denke nicht, dass er versuchen wird, mir etwas anzutun«, widersprach Venetia. Sie strich den schwarzen Rock ihres Kleides glatt. »Wer immer er ist, und ungeachtet seiner Absichten, ist es doch sehr unwahrscheinlich, dass er mich hier im Haus ermorden würde.«
»Wie kannst du da so sicher sein?«, fragte Edward neugierig.
»Nun, zum einen würde er durch eine solche Tat nichts gewinnen.« Venetia schnitt eine Grimasse. »Eine Tote kann man schlecht erpressen.« Sie kam um den Tisch herum und ging zur Zimmertür. »Außerdem würde es hier viel zu viele Zeugen für sein Verbrechen geben.«
»Das stimmt natürlich«, pflichtete Beatrice ihr widerstrebend bei.
»Nichtsdestotrotz musst du uns versprechen zu schreien, falls du das Gefühl hast, er will dir etwas antun«, beharrte Amelia.
»Ich werde für alle Fälle eins der Messer aus der Küche holen«, verkündete Edward und eilte zu der Schwingtür, die das Frühstückszimmer von der Küche trennte.
»Edward, du lässt die Finger von den Messern«, rief ihm Beatrice hinterher.
Venetia seufzte. »Ich hoffe doch nicht, dass wir auf den Einsatz von Messern zurückgreifen müssen.«
Sie eilte den Flur entlang, während Furcht und Entschlossenheit ihr Herz schneller schlagen ließen. Ein Erpresser hatte ihr gerade noch gefehlt, dachte sie. Sie hatte im Moment wirklich schon genug Probleme. Die bestürzenden Fotos, die ihr anonym zugesandt worden waren, bereiteten ihr bereits schlaflose Nächte.
Sie blieb vor der geschlossenen Tür des kleinen Arbeitszimmers stehen. Mrs. Trench stand nervös daneben.
»Ich habe ihn in das Zimmer geführt, Madam.«
»Danke, Mrs. Trench.«
Die Haushälterin öffnete die Tür für sie.
Venetia holte tief Luft, sammelte sich und konzentrierte sich auf jenen Teil von ihr, der es ihr erlaubte, Dinge jenseits der Grenzen der normalen Wahrnehmung zu sehen, und trat beherzt ins Arbeitszimmer.
7
In der Negativ-Welt, in der sie sich jetzt bewegte, sah sie die Aura des Mannes bedeutend klarer als sein Gesicht.
Wie vom Donner gerührt blieb sie stehen.
Auren waren einzigartig und unverkennbar, und keine mehr als die von Gabriel Jones. Dunkle Energie züngelte pulsierend um ihn herum, beherrscht, intensiv und kraftvoll.
»Mrs. Jones, wie ich annehme«, sagte Gabriel. Er stand neben dem Fenster, sodass sein Gesicht in Schatten getaucht war.
Der Klang seiner Stimme brach ihre Konzentration endgültig. Venetia blinzelte. Die Welt kehrte wieder zu ihren normalen Tönen und Farben zurück.
»Sie leben«, hauchte sie.
»Treffend bemerkt«, erwiderte Gabriel. »Ich sehe, dass diese Neuigkeit ein unangenehmer Schock für Sie ist. Sie werden mir verzeihen, aber von meiner ganz persönlichen Warte aus muss ich gestehen, dass ich unter diesen Umständen ziemlich
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