Verzehrende Leidenschaft
und es würde mir auch nicht helfen. Ich muss einfach etwas lernen: Wenn jemand dieselben Dinge wie Sir Bearnard sagt, heißt das noch lange nicht, dass er sich auch so verhalten wird wie mein Vormund. Ihr habt mich mit diesen Worten ja nur necken wollen, Ihr habt sie nicht als Beschimpfung oder Drohung gemeint. Ich muss lernen, mehr als nur die Worte zu hören. Ich muss erkennen, wie sie ausgesprochen werden. In Eurer Stimme lagen weder Zorn noch eine Warnung. Auf so etwas muss ich in Zukunft achten.«
»Aye, denn allmählich glaube ich, dass Sir Bearnard kaum etwas gesagt hat, auf das nicht gleich eine Brutalität gefolgt ist.«
»Manchmal hat er gar nichts gesagt, dann war er am gefährlichsten.« Sie zitterte, während sie versuchte, die bösen Erinnerungen abzuschütteln. »Langsam wird mir kalt in diesem Regen«, murmelte sie und zog die Füße zurück.
Tavig half ihr, sie trocken zu reiben und wieder in die Lumpen zu verpacken. Währenddessen musterte er sie forschend. Sie hatte nie viel von Sir Bearnard oder ihrem Leben bei diesem Mann erzählt. Nach ein oder zwei schwachen Andeutungen über das, was sie durchgemacht hatte, verstummte sie stets und zog sich zurück, so wie jetzt eben. Ihm kam es dabei vor, als zöge sie sich vor ihm zurück, doch er wusste, das war nicht so. Wie lange würde Sir Bearnards Schatten wohl noch über ihnen schweben?
»Nicht jeder Mann ist so wie Euer Vormund«, sagte er und zog sie sanft an sich.
»Ich weiß. Es tut mir leid, wenn ich mich manchmal so verhalte, dass es Euch kränkt.«
Er unterbrach sie mit einem sanften Kuss. »Ihr braucht Euch nicht zu entschuldigen. Genauso, wie Ihr lernen müsst, nicht nur auf die Worte zu achten, sondern auch darauf, wie sie geäußert werden, muss ich lernen, dass nicht jedes instinktive Zusammenzucken oder Aufflackern von Angst gegen mich gerichtet ist. Sir Bearnard hat Euch diese bösen Lehren erteilt. Ihr braucht Zeit, um zu lernen, wann und bei wem Ihr sie beherzigen müsst. Allerdings habe ich mir fest vorgenommen, dafür zu sorgen, dass Ihr nie mehr so leben müsst.«
»Ach ja? Und wie wollt Ihr das bewerkstelligen?«
»Indem ich Euch überzeuge, bei mir zu bleiben.«
»Aye? Euer Schicksal ist allerdings ein wenig ungewiss, mein tapferer Ritter. Ich kann mir nicht vorstellen, dass es besser ist, einen Galgen mit Euch zu teilen, als mit Sir Bearnard zu leben.«
»Ich habe nicht vor, am Galgen zu baumeln.«
»Ich kann nicht behaupten, dass ich mir das wünsche, aber ich begreife nicht, wie Ihr Euch so sicher sein könnt, dass es nicht dazu kommen wird.«
»Sobald ich bei meinem Cousin Mungan bin, wird er mir helfen, mich gegen Iver durchzusetzen.«
»Damit ist Eure Unschuld aber noch lange nicht bewiesen.« Sie gähnte und sank schwerer gegen ihn.
»Das ist wohl wahr, aber eigentlich glaubt keiner, dass ich diese Männer umgebracht habe. Meine Leute in Drumdearg wissen genau, wer der Mörder ist. Trotzdem werde ich versuchen, ein paar Beweise für meine Unschuld aufzutreiben, vielleicht auch ein paar Geständnisse, damit es wirklich alle glauben.« Er schüttelte den Kopf. »Ich habe an kaum etwas anderes gedacht als daran, mir zurückzuholen, was mir gestohlen wurde, und Iver für seine Schandtat büßen zu lassen. Aber Ihr habt recht – damit wird meine Unschuld nicht bewiesen, und da Iver seine grundlosen Beschuldigungen in alle Welt hinausposaunt hat, muss ich mich darum kümmern, diesen Makel von meinem Namen zu entfernen.«
»Ihr werdet es wohl nie schaffen, ihn gänzlich zu beseitigen.«
»Ihr seid ein wahrer Quell des Frohsinns, nicht wahr?«, grummelte er, doch dann lächelte er gleich wieder, als sie schläfrig kicherte. »Aber natürlich habt Ihr auch in dieser Hinsicht recht, obwohl es wirklich nicht fair ist. Nichtsdestotrotz werden die Leute die Wahrheit erfahren; die meisten kennen sie ohnehin schon.«
»Und Ihr seid davon überzeugt, dass Euer Cousin Mungan Euch glauben wird und Euch nicht an Iver ausliefert?«
»Jawohl. Mungan hat Iver schon immer gehasst und ihm nie vertraut.« Er drückte einen sanften Kuss auf ihren Kopf. »Macht Euch keine Sorgen. Wir werden bei Mungan in Sicherheit sein, und ich werde herausfinden, in welchen Absichten er Eure Cousine entführt hat.«
»Ihr glaubt also nicht, dass er sie in der Ferne erblickte, sich in sie verliebte und einfach versuchen musste, sie zu seiner Frau zu machen?«
Tavig dachte kurz darüber nach, dann erwiderte er im Brustton der Überzeugung:
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