Verzehrende Leidenschaft
herum und tut so, als sei er nur ein armer Landstreicher. Dafür wird er seine Gründe haben. Robert und ich glauben, dass er sich versteckt. Männer mit Macht und Reichtum haben oft Feinde – Leute, die versuchen, ihnen diese Dinge zu rauben.« Sie tätschelte Moiras zusammengeballte Hand. »Schau nicht so ängstlich drein, Kind. Wenn er sich bei uns verstecken will, kann er das tun, solange er es für nötig hält.«
Einen Moment lang überlegte Moira, ob sie Mary nicht hartnäckig widersprechen sollte, doch dann beschloss sie, dass sie von ihr nichts zu befürchten hätten. Mary und Robert mochten Tavig, das war klar; sie würden bei seinem Spiel mitmachen, bis er bereit war, es aufzugeben. Allerdings stellte sich sogleich die nächste Sorge ein: Hatte Mary etwa auch erraten, dass sie und Tavig nicht richtig verheiratet waren?
»Das weiß er bestimmt zu schätzen«, murmelte sie. »Aber jetzt versteht Ihr ja vielleicht, warum Jeannes Drohungen mir so zugesetzt haben.«
»Was kann sie schon tun? Sie weiß nicht, wer er ist, und deshalb kann sie auch nicht seine Feinde an unsere Schwelle führen. Aber ich glaube nicht, dass es ihre Drohungen sind, die dir so zu schaffen machen. Es bereitet dir Sorgen, dass sie womöglich das bedroht, was du mit deinem Mann teilst. Wenn du nicht darüber sprechen willst, kann ich es verstehen, aber solche Ängste werden oft leichter, sind sie erst einmal ausgesprochen.«
»Aye.« Moira lächelte Mary zaghaft an. »Jeanne ist äußerst hübsch und wohlgestaltet. Ich bin dürr, winzig, rothaarig und sommersprossig. Ja, um ehrlich zu sein – sie macht mir Sorgen. Er hat sich heute über sie geärgert, aber sie ist eine sehr entschlossene Frau, das spüre ich deutlich.« Sie seufzte. »Ich sollte mir wirklich keine Sorgen machen, denn er hat gemeint, wir werden gleich morgen weiterziehen. Aber ich frage mich, wie viele Jeannes seine Vergangenheit wohl aufweist.«
»Ganz richtig – seine Vergangenheit. Jeanne ist eine der Frauen, die ein Mann in seiner Vergangenheit angesammelt hat. Du hingegen bist ein Mädchen, das einem Mann den Weg in seine Zukunft weist. Leider ist ein Mann, wenn er dem Mädchen begegnet, das er heiraten will, selten so unschuldig, wie sie es ist. Männer tun ihr Bestes, ihre Unschuld loszuwerden, und deshalb müssen Frauen wie wir versuchen, ihnen zu vergeben, dass sie mit Mädchen wie Jeanne gespielt haben. Aber das ist auch alles, was sie mit solchen Mädchen tun – sie spielen mit ihnen.«
»Das weiß ich schon, und ich weiß auch, dass es da nichts zu verzeihen gibt. Er hat mich damals nicht gekannt, und jetzt lässt er die Finger von ihr. Dennoch muss ich ständig daran denken, dass sie eine ganze Menge aufzuweisen hat, womit es sich lohnte zu spielen.« Sie grinste schief, als Mary lachte.
»Aye, das hat sie wirklich. Die meisten Burschen im Dorf haben sich an ihrer freizügig dargebotenen Fülle bedient.«
»Findet Ihr es nicht ein bisschen ungerecht, dass Männer sie verurteilen, weil sie genau das tut, was auch sie tun?«
»Das ist sehr ungerecht, aber so ist es nun einmal. Manche Männer können ihren Mädchen verflossene Liebhaber auch verzeihen. Bei Jeanne ist es allerdings so, dass sie die Seele einer Hure hat. Das Herz und die Seele machen eine Hure aus, mein Kind, nicht die Tatsache, dass eine Frau sich einem Mann hingibt. Es ist ihr verrohtes Innenleben, was Jeanne zur Hure macht. An eine wie sie wirst du deinen Mann nie verlieren. Und er wird sich auch nicht heimlich aus deinem Bett in das ihre zu schleichen versuchen. Wenn du sein Lager nicht gut wärmen würdest, hätte er dich nicht gebeten, es mit ihm zu teilen. Und versuch jetzt nicht, mir zu erklären, dass sein Verlangen nach dir nicht riesengroß ist. Ich sehe es jedes Mal, wenn er dich ansieht, in seinen dunklen Augen aufblitzen.«
»Wirklich?« Moira hatte zwar ebenfalls oft diesen Eindruck, aber dann fürchtete sie immer, dass sie nur sah, was sie gern sehen wollte.
»Aye, wirklich. Wenn einem Mann etwas an dir liegt, einem guten Mann wie dem deinen, dann spielt es keine Rolle, wie üppig deine Kurven sind.«
Wenn einem Mann etwas an dir liegt, hatte Mary gesagt, und die Worte hallten in Moiras Kopf wider. Mary konnte nicht wissen, dass Tavig nie etwas davon erwähnt hatte, er hatte nie von Liebe oder irgendeiner anderen Empfindung gesprochen, die tiefer reichte als die Lust. Ab und zu sprach er zwar vom Schicksal, aber daran wollte sie einfach nicht glauben. Und außerdem
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