Verzehrende Leidenschaft
ich sie immer hatte, dein Vater sie mir jedoch absichtlich vorenthalten hat. Kannst du dir vorstellen, wie wütend mich das macht?« Als Una nur erstaunt die Augen aufriss, erkannte Moira, dass es nicht leicht sein würde, ihrer Cousine auch nur einen Teil ihrer Gefühle begreiflich zu machen.
»Na ja, wahrscheinlich hast du ein gewisses Recht, wütend zu sein«, meinte Una schließlich. »Aber was hat das mit dem Wehrturm zu tun?«
»Er gehört mir. Womöglich bekomme ich keinen Farthing zurück von all dem Geld, das mir hinterlassen worden ist und das dein Vater mir gestohlen hat; aber diesen Steinhaufen kann er nicht in seine Tasche stecken und sich damit aus dem Staub machen. Ich kann und werde dir den Turm nicht einfach überlassen, nur damit du Mungan Coll dazu bringen kannst, dich zu heiraten.«
»Aha.« Una sprang hoch. »Du bist einfach nur selbstsüchtig. Das ganze Gerede von Freiheit ist der pure Unsinn. Du willst meinen Mann.«
Moira sank aufs Bett zurück. »Ich will deinen Mann nicht. Ehrlich gesagt begreife ich nicht ganz, warum du ihn haben willst, wenn du ihn mit diesem Wehrturm bestechen müsstest, damit er dich heiratet. Hast du denn gar keinen Stolz?«
»Dasselbe könnte ich dich auch fragen. Du hast den ganzen Weg quer durch Schottland mit einem Mörder herumgehurt.«
»Tavig hat niemanden ermordet«, fauchte Moira, doch Una war schon auf dem Weg aus dem Zimmer. Sie zuckte zusammen, als ihre Cousine die Tür hinter sich zuschmetterte. »Gib mir den Wehrturm, sagt sie«, murrte Moira fassungslos. »Als ob es um ein Spielzeug ginge, das sie gern hätte.«
Nun bewahrheitete sich alles, wovor Tavig sie zu warnen versucht hatte. Mungan hatte zwar nur einen ersten Versuch gestartet, um sie zu werben, aber der Mann würde ihr bestimmt weiter nachstellen. Jetzt war Una wütend und eifersüchtig, und auch das würde sich mit jedem weiteren von Mungans Werbungsversuchen nur verschlimmern. Una und sie waren nie gute Freundinnen gewesen und würden es wohl auch nie werden, doch Moira wollte auch nicht Unas Feindin sein. In gewisser Weise fühlte sie sich ihr sogar verbunden, denn schließlich hatten sie beide unter Sir Bearnards grausamer Herrschaft gelitten.
Je mehr sie über ihre missliche Lage nachdachte, desto klarer erkannte sie, dass Tavig recht hatte. Es gab keinen raschen, einfachen Weg aus dieser Zwickmühle. Sie hatte Una vorgeworfen, dass sie bereit wäre, einen Mann zu bestechen, nur damit er sie heiratete; doch nun überlegte sie, ob sie einen Mann heiraten sollte, nur damit sie sich nicht mehr mit Mungans oder Unas törichten Ideen herumschlagen musste. Sie hatte zwar nur einen kleinen Vorgeschmack davon erhalten, aber das hatte ihr schon gereicht.
Es dauerte eine ganze Weile, bis sie endlich das Gefühl hatte, sich genug erholt zu haben, um Adair aufzusuchen. Als sie sich wieder aufrichtete, ging ihr der Gedanke durch den Kopf, dass sie inzwischen fast an dem Punkt war, Tavigs Gerede über ihre schicksalhafte Verbindung zu glauben. Es hatte wahrhaftig den Anschein, als würde eine unsichtbare Hand sie unaufhörlich weiter in eine bestimmte Richtung schieben. Sie konnte sich noch so sehr bemühen, an ihrem Vorsatz festzuhalten, Tavig um seiner eigenen Sicherheit willen nicht zu heiraten, es passierte ständig etwas, das sie dazu zwang, in seiner Nähe zu bleiben. Jetzt kam es ihr vor, als liefere ihr das Schicksal eine Vielzahl von Gründen, warum es eine weise Entscheidung wäre, Tavig zu heiraten.
Seufzend begab sich Moira auf die Suche nach Adair. Noch hatte sie ein wenig Zeit, gründlich zu überlegen, welche Möglichkeiten ihr offenstanden, und diejenige auszuwählen, die die beste Lösung für ihre Probleme versprach. Im Kinderzimmer, zu dem eine der Mägde sie geführt hatte, entdeckte sie Adair sofort. Sie lachte und eilte auf ihn zu, während er ihr lächelnd entgegenkrabbelte. Als sie die Nase in seine dichten schwarzen Locken steckte, merkte sie plötzlich, dass Adair trotz ihrer guten Vorsätze wahrscheinlich der stärkste Grund war, die riskante Entscheidung zu fällen und Tavig MacAlpin zu heiraten.
* * *
Tavig blickte Mungan grollend an. Sein Cousin fläzte sich auf seinem großen, reich verzierten Stuhl, ließ sich sein Ale schmecken und betrachtete die anderen, die in der Großen Halle versammelt waren, als ob alles in bester Ordnung wäre. Unwirsch nahm Tavig den Krug, füllte seinen Becher mit dem herzhaften Gebräu und nahm mehrere tiefe Züge in der vergeblichen
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