Verzeihung, sind Sie mein Koerper
Nase oben in den Wolken, als hätte er
meinen Körper bereits wieder vergessen. Nun sprach ich ein ernstes Wort mit ihm. Ich machte ihm klar, was er bisher vom Körper ganz selbstverständlich erwartet hatte und dass diese Zeit endgültig vorbei sei. Ich bat meinen Geist, sich dem Körper von nun an beugen und ihm zu dienen, so wie der Körper ihm bisher gedient hatte. Und tatsächlich, der Geist willigte ein. Ich werde den Anblick nie vergessen. Er nahm seine Nase aus den Wolken, beugte seinen Nacken und richtete sich aus auf die Niederungen der Menschlichkeit und ihrer Unzulänglichkeiten. Ich fühlte, wie sich mein Körper entspannte und es ihn warm durchrieselte. In mir entstand so etwas wie eine Ahnung von Glück und in diesem Gefühl begann ich mich auf eine neue Weise in Bewegung zu setzen. Mein Körper durfte bestimmen und er bestimmte: langsam Fuà vor FuÃ. Das Herz blieb ruhig, nicht aber mein Geist. »Das darf doch alles nicht wahr sein, schleichen wir jetzt dahin wie ein altes Mutterl bis an das Ende aller Tage? So werden wir nie an die Wegbiegung kommen. Bis wir dort sind, ist es Nacht.« Schon war meine Geistesnase wieder vorausgeeilt und ich musste sie erneut zurückholen, meinem Körper zuliebe, der geduldig stehen geblieben war. Es dauerte ein paar Minuten, bis ich meinen Geist neu geordnet hatte und sein arroganter Nacken sich wieder dem Körper zuneigte. Diesmal ging es leichter. Ich begann den Waldboden unter meinen FüÃen zu spüren, manchmal ein sanftes Moospolster, manchmal Kalkschotter, herabgerieselt von den Felsen über uns. Dieses unvergleichliche Gefühl unter meinen Sohlen zog meine Aufmerksamkeit zu Boden. Meine Augen hatten Zeit, die Gräser und Blumen am Wegrand aufzunehmen und es eröffnete sich meinem Staunen eine Wunderwelt der Farben, Formen und Gerüche. Die Wegbiegung war vergessen, das Wunder geschah hier, wo ich gerade stand. Mein Herz war ruhig, der Brustkorb weit, Liebe und Dankbarkeit für meinen Körper, so wie er jetzt war, durchströmte mich,
und das Unglaubliche geschah. Liebe und Dankbarkeit kamen mir aus der Stofflichkeit meines Körpers entgegen. »So schön habe ich mir das gar nicht vorgestellt ... wenn ich das nur früher gewusst hätte ...«, hörte ich meinen Geist seufzen, und Tränen der Rührung liefen an seiner neugierigen Nase entlang. Ich tat, als sähe ich sie nicht, weià ich doch, wie peinlich es ihm ist, in aller Ãffentlichkeit zu weinen. Wir sind an diesem Nachmittag nicht bis zur Wegbiegung gekommen und das Licht dort war inzwischen schon ausgegangen, denn es wurde Abend. Aber das kümmerte niemanden von uns, mich nicht, meinen Körper nicht und selbst meinen Geist nicht. Wir waren verzaubert von den Wundern des Augenblicks und wir bildeten eine vergnügte Einheit. Wie kann man unversehens so glücklich sein!
Dieses Erlebnis hat sich mir tief eingegraben und das, was damals entstanden war, ist geblieben. Mein Geist dient, meistens zumindest, meinem Körper, der inzwischen gesundet und wieder bei Kräften ist. Die weise Lebensführung meiner Stofflichkeit im Einklang mit meinem Geist ist noch längst nicht vollkommen, aber es ist schlieÃlich der Weg, um den es geht. Das Ziel liegt irgendwo hinter der Kurve und niemand von uns Dreien muss es erreichen. Dort, wo wir gerade sind, dort ist es gut.
Der Augenblick ist das Ziel. (CL)
Entschleunigung â ein zärtlicher Umgang mit der Zeit, mit dem Leben und mit uns selbst
Entschleunigung ist ein viel strapaziertes Wort. Wir alle wissen, »es muss langsamer werden«, aber wie das gehen soll, wissen wir nicht. Wir bewegen uns in fest gefügten Regelwerken, aus denen es kein Entkommen zu geben scheint. Wir würden herausgeworfen werden aus unseren Lebens â bzw. Arbeitszusammenhängen und davor haben wir Angst.
Hier an dieser Stelle geht es mir nicht um eine äuÃere Lebensveränderung, um in die Langsamkeit zu finden, jedenfalls nicht in erster Linie. Es geht mir darum, sehr behutsam von innen her neue Impulse zu setzen, die, wenn wir Glück haben, die Atmosphäre unseres Lebens verändern. Unser Körper wird es uns danken.
Pulsschlag und Atembewegung sind natürliche Rhythmen unseres Lebens und gleichzeitig die verlässlichsten Indikatoren unseres Befindens. Schreck, Angst, Ruhe, Frieden, Freude und Unbehagen jeglicher Art sind an diesen Rhythmen ablesbar. Der
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