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Vier Arten, die Liebe zu vergessen

Vier Arten, die Liebe zu vergessen

Titel: Vier Arten, die Liebe zu vergessen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thommie Bayer
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spät,
weil ein anderer Sehnsuchtskörper, Sehnsuchtsduft und Sehnsuchtsatem seine
Tagträume erfüllte. Jetzt, in diesem Moment, da er endlich Corinna haben würde,
begriff er, dass er sich nur noch nach Erin sehnte.
    Das zeigte er nicht. Als inzwischen versierter Heimlichtuer ließ er
sie nicht spüren, dass es zu spät war, und als inzwischen versierter Liebhaber
verwöhnte er sie und sich und gab ihr das Gefühl, etwas versäumt zu haben. In
sein eigenes Vergnügen mischte sich auch ein kleiner, unwürdiger Triumph, und
er genoss aus ihm selbst nicht geheurer Distanz, wie sie sich wand und immer
wilder wurde, wie sie keuchte, sinnlose Worte ausstieß und schließlich sogar
schrie, bis er selber so weit war und sich alle Gedanken verflüchtigten.
    Später dachte er, sie sei eingeschlafen – sein Oberarm, auf dem ihr
Kopf lag, tat weh, aber er rührte sich nicht –, da sagte sie: »Wagner und ich
haben geheiratet.«
    Â»Wann?«
    Â»Vor vier Wochen.«
    Â»Und du betrügst ihn schon?«
    Sie schwieg.
    Â»Was macht er denn jetzt?«
    Â»Was schon«, sagte sie, und es klang ein bisschen mürrisch,
»studieren. Immer noch. Wie du.«
    Â»Grüß ihn von mir.«
    Â»Nein.«
    Â»Dann nicht. Ist vielleicht besser.«
    Es war eine merkwürdig nüchterne und fast ein bisschen übellaunige
Unterhaltung, die sie da führten. Als wären Michael und Corinna das Ehepaar,
das sich schon miteinander zu langweilen begann und ängstlich fragte, ob es
nicht eine Dummheit gewesen war, sich aneinander zu binden. Spürte sie, dass er
an jemand anderes dachte?
    Nein, das war es nicht. Michael wusste, was sie empfand. Sie war
verärgert über seine moralisierende Frage. Was ging es ihn an, ob sie ihren
Mann betrog? Sie hat recht, dachte er, es geht mich nichts an. Aber auch sie
ging ihn nichts mehr an. So aufregend es eben noch gewesen war mit ihr – jetzt
wusste er schon nichts mehr zu reden und wäre lieber allein gewesen, anstatt
ihren Kopf auf seinem schmerzenden Oberarm zu spüren. Ihm fiel eine Textzeile
ein, die er sich merken wollte: As I took myself from you,
and you vanished in your coat, it came to me that we both knew, we were just
the single note, not the song .
    Jetzt schlief sie tatsächlich. Michael zog vorsichtig seinen Arm
unter ihr hervor, die Decke über sie, stand auf, nahm seine Kleider und ging
damit in die Küche, setzte sich an den Tisch und wusste nicht, was er tun
sollte.
    Benson wollte er erst anrufen, wenn er allein wäre, zu lesen hatte
er nichts hier, Kaffee wollte er nicht machen, weil die Maschine mit ihrem Lärm
vielleicht Corinna wecken würde. Er saß einfach nur da und starrte die
Tischplatte an.
    Corinna hatte ein Hemd von ihm übergestreift, als sie nach einer
halben Stunde in die Küche kam. Sie streckte sich und fragte: »Was ist jetzt
mit dem Kaffee?«
    Â»Was machst du eigentlich?«, fragte er, während er die Maschine mit
geübten Griffen bediente.
    Â»Kulturmanagement.«
    Â»Und was ist das?«
    Â»Ich plane Veranstaltungen für Großkunden, Siemens und BMW und solche Kaliber. Das geht vom Catering über die
Security bis zum auftretenden Künstler oder Koch oder Fernsehstar. Demnächst machen
wir was mit Manfred Krug.«
    Sie erzählte vom neuen Flughafen, für dessen Eröffnungsveranstaltung
sich ihre Agentur bewerbe, sie erzählte von Pavarotti, den sie kennengelernt
habe und der ein sehr charmanter Mann sei, von Tina Turner, deren Management
sie nach London eingeladen habe, und von Venedig, wo sie vor zwei Wochen
gewesen sei und sich gefühlt habe wie auf einem anderen Stern.
    Â»Ich war da noch nie«, sagte er.
    Â»Musst du sehen«, fand sie.
    Er ließ sie reden und erweckte den Anschein, als ob er zuhörte, aber
er machte sich währenddessen seine eigenen Gedanken: Dass sie ein Hemd von ihm
trug, deutete auf die Bereitschaft zu einer längeren Affäre hin. Das würde er
nicht mitmachen. Jetzt, da er wusste, dass sie mit Wagner verheiratet war, ging
das nicht mehr.
    Michael fühlte kein besonderes Bedauern bei diesem Gedanken, obwohl
er schon wieder Lust auf sie bekam – sie war hübsch, sie war intelligent und
lebendig, er hatte jahrelang von ihr geträumt, aber Wagner zu betrügen kam
einfach nicht infrage. Sex war zwar das Wichtigste überhaupt, war es zumindest
bis jetzt gewesen, aber Michaels

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