Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Vier Arten, die Liebe zu vergessen

Vier Arten, die Liebe zu vergessen

Titel: Vier Arten, die Liebe zu vergessen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thommie Bayer
Vom Netzwerk:
deutsch.«
    Â»Nein, Joongle.«
    Sie landeten schließlich bei Joongleharp Music und beschlossen,
einen Tigerkopf mit einer Harfe als Signet zu benutzen. Es wurde dann später
ein Tucan, dessen Schnabel in die Harfe hineinragt.
    Â»Schreib in den Vertrag rein, dass du deine Beteiligung verlierst,
wenn du meinen Namen ausplauderst.«
    Â»Mach ich«, sagte Benson.
    Es roch nach verbranntem Kaffeepulver. Michael hatte vergessen, die
Hitze an der Espressomaschine umzuschalten, diesen Geruch sollte er für immer
in Erinnerung behalten. Jedes Mal, wenn er ihm später in die Nase stieg, saß er
wieder in der Hohenzollernstraße in der kleinen Küche und spürte mit schlaffen
Gliedern und rasenden Gedanken der Euphorie nach und den Bildern von Glück und
Geld und Erfüllung, einem Leben als Komponist und irgendwann seiner Eröffnung
Erin gegenüber und der darauf unweigerlich folgenden Liebe.
    ~
    Michael arbeitete eine Weile an seinem
Stone-to-Sand-Stück, aber es waren nur noch Kleinigkeiten, die seiner
Aufmerksamkeit bedurften: hier eine Notenlänge, dort eine Variation der
Basslinie, eigentlich war der Song schon fertig. Fehlte nur ein guter Text.
Mehr als die Zeile vom Vaporetto hatte er noch nicht.
    Ihm fiel auf, dass er Minus schon eine Weile nicht mehr gesehen
hatte, und er suchte nach ihr, durchstreifte den Salon, die Bibliothek, das
Entree im Erdgeschoss und die vier großen Kontorräume, die längst zu
Gästezimmern geworden waren, dann stieg er die Treppen hoch bis in den
Dienstbotentrakt und fand sie dort im Schlafzimmer, auf seinem Bett, genau in
der Mitte, als wolle sie ihn daran hindern, sich hier auch noch breitzumachen.
Sie gähnte, streckte sich und schlief weiter.
    Er bekam Hunger, hatte aber keine Lust, sich etwas zu kochen, also
ging er nach draußen zu einem Pizzastand, setzte sich dort auf eine Mauer und
aß, immer die Melodie im Kopf und auf der Suche nach dem Anfang eines Verses.
Er hatte ein Oktavheftchen eingesteckt, das er zücken würde, sobald sich eine
Zeile bei ihm einstellte. Das geschah aber nicht. Seine Gedanken flogen
überallhin, zu Emmi, zu den Nachtigallen, Erin, Corinna – der Besuch in seiner
Kindheit hatte sie alle wieder lebendig werden lassen.
    Bis gestern Morgen waren sie Schemen aus einer anderen, längst
verlassenen Welt gewesen, und jetzt hatten sie wieder ihren Geruch, ihre
Stimmen, ihre Gesten und ihre Bedeutung zurückerlangt, und es war, als
lungerten sie hier vor der Pizzabude um ihn herum, gestikulierten und
monologisierten, um auf sich aufmerksam zu machen, und hinderten so die
Textideen daran, bei ihm zu landen.
    Vielleicht musste er einfach einen nebligen Tag abwarten. Aus
irgendeinem Grund wirkte der Nebel hier in Venedig stimulierend. Ob es daran
lag, dass dann ein eher »irisches Gefühl« bei ihm aufkam, oder daran, dass
jeder Anblick zu einem Rätsel wurde, und Rätsel inspirieren, Michael wusste es
nicht, und es war ihm egal, er hatte nur irgendwann bemerkt, dass er immer bei
Nebel das Oktavheftchen einsteckte.
    ~
    Nachdem die Verträge mit Ian Benson unterschrieben und
abgeschickt waren und Corinna schon dreimal angerufen und einmal auf seiner
Treppe gewartet hatte, ging Michael zu seinem Anglistikprofessor und bat ihn um
eine Empfehlung für eine irische Universität. Er hoffte, es würde nicht auf
Sligo rauslaufen, denn dort war er auf seiner Rundreise nur einen halben Tag geblieben,
so düster und bedrückt hatte diese Stadt auf ihn gewirkt. Und Sligo war sehr
weit von Dublin entfernt.
    Schon zwei Tage später hatte der Professor eine Hiwi-Stelle in
Galway aufgetan. Betreuung der Studenten, Nachhilfe in Deutsch, ob ihm das
gefalle?
    Â»Sehr«, sagte Michael. »Danke.«
    Â»Ausland ist immer gut«, sagte der Professor, »aber wär’s nicht
klüger, Sie gingen in ein romanisches Land, wenn Sie die Prüfung in Romanistik
noch vor sich haben? Spanien, Frankreich, Italien. Dort würden Sie in die
Sprache eintauchen und der Literatur näherkommen.«
    Â»Klüger wär’s, da haben Sie recht«, sagte Michael.
    Â»Aber Sie wollen nicht klüger sein, Sie wollen nach Irland.«
    Â»So verhält es sich.«
    Â»Na, wenn sich’s nun mal so verhält«, sagte der Professor und
lächelte. »Sláinte.«
    Michael rief seinen Vater an und fragte, ob er ihm tausend Mark
leihen würde, damit käme er nach Irland und durch den

Weitere Kostenlose Bücher