Vier auf dem Laufsteg
von ihrer Mutter nicht behaupten, die schon wartend in der Tür stand.
Drinnen sah das Haus gemütlich und einladend aus. Hinter ihrer Mutter hörte man ein leises Miauen, und aus der Küche drang ein köstlich würziger und leicht knoblauchhaltiger Duft, der Laura wie eine Keule traf. Sie musste nur an ihrer Mutter vorbei ins Haus gehen, aber die hatte die Arme über der Brust verschränkt und machte keinerlei Anstalten, Laura vorbeizulassen, obwohl sie klatschnass geregnet war.
»Du meine Güte, du siehst genauso schlecht gelaunt aus, wie du gestern am Telefon geklungen hast«, rief sie. »Und blass. Wirst du krank? Kommst du deswegen nach Hause? Ich hab ja gleich gesagt, dass die Wohnung feucht riecht.«
Laura öffnete den Mund, um heftig zu widersprechen, aber ihr Vater drängelte sich an ihr vorbei.
»Also Wendy, wirklich! Es gießt in Strömen, kannst du bitte mal Platz machen und uns ins Haus lassen?«
Laura zog ihre Jacke aus und war sich der verkniffenen Lippen ihrer Mutter voll bewusst.
»Ich würde gern vor dem Abendessen noch duschen«, sagte Laura und strich mit den Händen über ihre nasse Jeans. »Es sei denn, du willst, dass ich eine Lungenentzündung kriege.«
»Jetzt werd mal nicht frech, Fräulein. Und nach dem Essen werden wir uns mal miteinander UNTERHALTEN!«, rief ihre Mutter ihr nach, während Laura, immer zwei Stufen auf einmal nehmend, die Treppe hinaufrannte.
Ihre Mutter war weltweit der einzige Mensch, der in Großbuchstaben sprechen konnte, was gruselig und beängstigend zugleich klang.
Frisch geduscht saß Laura eine Viertelstunde später in ihrer ausgebeulten Hello-Kitty -Schlafanzughose und eingemummelt in einen alten Pulli ihres Vaters an ihrem Platz am Esstisch. Normalerweise aßen sie immer in der Küche, aber die Heimkehr der verlorenen Tochter wurde mit einem Essen im Esszimmer und dem zweitbesten Porzellan gewürdigt.
Ihr Magen gluckerte glückselig, als ihre Mutter ihr einen Teller mit selbst gebackenem, duftendem Knoblauchbrot hinstellte. Entschlossen wandte sie den Blick davon ab. Sie hatte den ganzen Tag noch nichts gegessen außer einem fettfreien Joghurt, den sie ganz hinten im Kühlschrank gefunden hatte.
»Ich habe dein Lieblingsessen gekocht. Spaghetti Bolognese, mit den frischen Nudeln, die du so magst«, sagte ihre Mutter, weil sie eine böse, mit Essen lockende Kochhexe war. »Hab deinen Vater dafür extra zum Einkaufen geschickt.« Sie war nicht nur eine böse Kochhexe, sondern auch eine böse »Wie mache ich meiner Tochter am besten ein schlechtes Gewissen«-Hexe.
»Es hat geschüttet wie aus Eimern«, fügte ihr Vater hinzu, der auch ganz gut darin war, anderen Schuldgefühle zu machen. »Ich geb schon mal eine Runde Spaghetti aus.«
Eine plötzliche Weizenallergie würden sie ihr nie und nimmer abnehmen, dachte Laura, während sie sorgenvoll zusah, wie ihr Vater einen Riesenberg Nudeln auf ihren Teller schaufelte.
»Gibt es auch Salat?«, fragte sie, als ihre Mutter sich an den Tisch setzte.
»Wofür brauchst du auch noch Salat? In der Soße ist genug Gemüse«, sagte ihre Mutter pikiert, denn Kritik an ihrem Essen war in etwa gleichbedeutend mit dem Vorwurf, sie würde nach Pipi riechen.
»Ich brauche einfach etwas frisches Grünzeug«, erklärte Laura und sah ihren Teller mit dem Nudelberg unglücklich an. »Was ist denn da an Gemüse drin?«
»Das gleiche Gemüse wie in den letzten fünfhundert Tomatensoßen, die ich für dich gekocht habe«, schnaubte ihre Mutter. »Mohrrüben, Pilze, Tomaten, frische Petersilie, Knoblauch... hm, ich glaube, ein bisschen Basilikum habe ich auch noch reingetan. Soll ich es für dich vielleicht chemisch analysieren lassen?«
»Meine Güte, du brauchst doch nicht gleich beleidigt zu sein.«
»Sie ist nicht beleidigt«, kam ihr Vater ihrer Mutter sofort zu Hilfe, weil er das immer tat. »Nimm dir doch ein Knoblauchbrot.«
Laura holte tief Luft, als könnte sie ihr Essen einatmen. »Also, es ist so, ich esse nach vier... also, ich esse keine Kohlenhydrate mehr. Überhaupt keine mehr.«
»Wie bitte?«, fragte ihre Mutter ungläubig.
»Es ist für meinen Stoffwechsel nicht leicht, die zu verarbeiten... Und kuck mich nicht so an. Ich mache keine blöde Blitzdiät, und ich bin so weit entfernt von Magersucht, wie man nur sein kann. Ich muss einfach nur ein paar Kilo abnehmen«, schloss sie kurz und knapp.
Einen Moment lang herrschte absolute Stille und ihre Mutter trank ihr Glas Pinot Noir in einem Zug fast
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