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Vier Beutel Asche: Roman (German Edition)

Vier Beutel Asche: Roman (German Edition)

Titel: Vier Beutel Asche: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Koch
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ein Kondom gehabt hätten.
    Ein spitzer Stein drückte mir ins Kreuz, aber ich ließ ihn. Wenn ich mich rührte, würde Lena vielleicht gehen. Sie versuchte, eine Strähne meines kurzen Haars um ihren Zeigefinger zu wickeln.
    »Warum hast du uns nicht gesagt, dass du nichts mit Christoph hattest?«, fragte ich leise. Sie hätte sich Selinas Abneigung ersparen können.
    »Ich fand es schön, dass ihr euch vorstellen konntet, er hätte mich auch geliebt. Ich wollte nicht das dumme kleine Mädchen sein, dass ihn vergeblich angehimmelt hat. Zum ersten Mal war ich eine Konkurrenz für Selina.«
    »Warum solltest du keine sein?«
    Sie sah mich an, sagte jedoch nichts.
    »Das wird morgen eine kurze Erzählung von dir.« Ich kicherte, ich war noch immer erleichtert. » Ich hatte nichts mit Christoph ist nicht wirklich lang.«
    »Ein bisschen länger wird es schon.«
    »So? Wie lang denn?«
    »Morgen«, sagte sie. Sie klang ernst und zog sich ein Stück zurück. Bereute sie, was wir gerade getan hatten? Ich traute mich nicht zu fragen.
    Schweigend lagen wir noch eine Weile da, dann standen wir auf und gingen zurück.
    »Siehst du was?«, fragte sie.
    »Nein.«
    Sie nahm meine Hand, doch direkt vor unserem Lager ließen wir uns los. Ich dachte daran, sie noch mal zu küssen, aber ich tat es nicht. Ich hatte keine Ahnung, woran ich mit ihr war.
    Irgendwas war anders. Maik hatte zu schnarchen begonnen, und die anderen Schlafsäcke waren leer, auch der von Selina. Wahrscheinlich hatte sie sein Schnarchen geweckt, und sie war irgendwo im Wald pinkeln.
    Das Staufach des Rollers stand noch immer offen, und als ich es schließen wollte, sah ich, dass die Asche fort war. Panisch blickte ich auf den Boden, ob sie rausgefallen war, auch wenn ich nicht wusste, wie. Da war nichts, und dann begriff ich. Ich sprang zu Maiks Maschine und riss die Satteltasche auf. Auch hier fehlten beide Beutel.
    »Selina.«

31
    Wir teilten uns auf, um Selina zu suchen. Was auch immer sie geritten haben mochte, mit der Asche abzuhauen, auf unsere Rufe reagierte sie nicht.
    »Ist das wegen mir?«, fragte Lena, und ich wusste nicht, ob sie sich damit schuldig fühlte oder gut, weil sie Konkurrentin genug war.
    »Das ist mir egal«, sagte Maik sauer. »Das ist gegen uns alle!«
    Wir machten aus, dass wir erst zurückkommen würden, wenn wir sie gefunden hätten. Hoffentlich kam sie nicht auf die blödsinnige Idee, die Asche doch in einen Fluss zu schütten, oder kippte sie versehentlich in den Wald. Wieso tat sie Christoph das an?
    »Selina, verdammt!«, schrie ich, während ich durch die Nacht stapfte. Der Wind verwehte die Worte. Trotz aller Wut hoffte ich, ihr war nichts passiert. Ich erinnerte mich an das Rascheln im Unterholz, das zu einem Tier gehörte, und daran, wie verloren ich mich gefühlt hatte. Wie allein war sie?
    »Verschütte bloß nichts!«
    Lena suchte bachabwärts, wo sie und ich gewesen waren. Wir hätten sie wohl nicht bemerkt, wenn sie an uns vorbeigeschlichen war.
    Maik drang senkrecht zum Weg weiter in den Wald vor, und ich eilte den Weg entlang, den wir gekommen waren. Immer wieder rief ich ihren Namen, doch nichts klang zurück außer raschelndes Laub und vereinzelte Schreie von Vögeln.
    Irgendwo vor mir hörte ich ein Auto fahren.
    »Selina!«
    Ich schrie und lief und schrie. Als ich die Straße erreichte, blickte ich nach links, über die schmale Brücke zurück, dorthin, wo wir hergekommen waren. Die Straße machte eine Kurve und verschwand zwischen der schwarzen Baummasse. Licht schimmerte auf, und dann blendeten mich grelle Scheinwerfer, Fernlicht, und ich kniff die Augen zu, bis es vorbei war. Ich sah nach rechts, rote Lichter schrumpften mit jedem Meter, den sie sich schnurgerade entfernten. Im Scheinwerferlicht tauchte ein Mädchen in Schwarz auf. Sie stand am Straßenrand und hielt den Daumen hoch. Mit der anderen Hand umklammerte sie einen prall gefüllten Beutel.
    Einen Beutel, der drei andere enthalten musste.
    »Selina!«
    Die Bremslichter leuchteten auf, der Wagen hielt. Die Beifahrertür öffnete sich, und das Innenlicht erhellte zwei Köpfe oder Kopfstützen, auf die Entfernung konnte ich das nicht erkennen.
    Selina beugte sich vor.
    »Nein!«
    Ich rannte los. Ich rannte wie verrückt, trommelnd schlugen meine Füße auf den Asphalt. Ich musste sie erreichen, ich musste wenigstens so weit kommen, dass sie mich hörte. Der Wind kam von hinten und trieb mich voran, wehte meine Worte weiter, als ich schreien konnte. Ich

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