Vier Frauen und ein Mord
Poirot fragte leise:
»Kennen Sie die Leute? Die Mutter? Den Vater? Die Tochter?«
»Nicht richtig. Sie haben einen Hund. Einen Sealyham. War in eine Falle geraten. Sie konnte ihn nicht freikriegen. Ich half ihr.«
Wieder war da etwas Neues in Bentleys Ton. »Ich half ihr«, hatte er gesagt, und in diesen Worten war ein leiser Widerhall von Stolz gewesen.
Poirot erinnerte sich an das, was Mrs Oliver über ihr Gespräch mit Deirdre Henderson erzählt hatte.
Er fragte freundlich:
»Sie haben sich mit ihr unterhalten?«
»Ja. Sie… ihre Mutter litt viel, sagte sie mir. Sie liebte ihre Mutter sehr.«
»Und Sie erzählten ihr von Ihrer Mutter?«
»Ja«, gestand James Bentley leise.
Poirot wartete schweigend.
»Das Leben ist sehr grausam«, meinte James Bentley. »Zu einigen Leuten scheint das Glück nie zu kommen.«
»Das ist möglich«, sagte Hercule Poirot.
»Ich glaube nicht, dass sie glücklich ist. Miss Wetherby.«
»Henderson.«
»Ach ja. Sie sagte mir, sie hätte einen Stiefvater.«
»Deirdre Henderson«, ergänzte Poirot. »Deirdre von den Sorgen. Ein schöner Name, aber kein hübsches Mädchen, habe ich gehört.«
James Bentley errötete.
»Mir hat sie ganz gut gefallen.«
19
» J etzt hör mir mal zu«, sagte Mrs Sweetiman.
Edna schnüffelte. Sie hatte Mrs Sweetiman schon eine Zeit lang zugehört. Ein hoffnungsloses Gespräch, das sich immer im Kreise drehte. Mrs Sweetiman hatte das gleiche mehrmals gesagt und nur zuweilen die Phrasen geändert. Edna hatte geschnüffelt, zuweilen geplärrt und immer wieder zwei Dinge wiederholt: Erstens, dass sie es niemals könnte! Und zweitens, dass ihr Vater ihr bei lebendigem Leibe die Haut abziehen würde, ganz bestimmt würde er das tun!
»Das ist egal«, sagte Mrs Sweetiman, »aber Mord ist Mord, und was du gesehen hast, hast du gesehen, und das kannst du jetzt nicht mehr ändern.«
Edna schnüffelte.
»Und was du tun solltest…«
Mrs Sweetiman unterbrach sich und bediente Mrs Wetherby, die Stricknadeln und dreißig Gramm Wolle kaufen wollte.
»Hab Sie schon ziemlich lange nicht mehr gesehen, M’am«, sagte Mrs Sweetiman munter.
»Es ist mir in letzter Zeit gar nicht gut gegangen. Mein Herz, wissen Sie.« Mrs Wetherby seufzte tief. »Ich muss viel liegen.«
»Ich habe gehört, dass Sie jetzt endlich eine Hausgehilfin haben«, sagte Mrs Sweetiman. »Für diese helle Wolle brauchen Sie dunkle Nadeln.«
»Ja. Sie ist soweit ganz tüchtig und kocht gar nicht schlecht. Aber ihr Benehmen! Und ihr Aussehen! Gefärbtes Haar und ganz unpassend enge Pullover!«
»Ach, heutzutage werden die Mädchen nicht mehr richtig für den Dienst erzogen. Sie bekommen nur eine Erziehung wie Edna.«
Beide Frauen sahen Edna an, die sich gegen den Ladentisch des Postamts lehnte, schnüffelte, ein Pfefferminzbonbon lutschte und völlig leer in die Gegend sah. Als ein Beispiel für Erziehung legte sie für das Unterrichtssystem kaum Ehre ein.
»Schrecklich, das mit Mrs Upward, nicht wahr?«, fuhr Mrs Sweetiman fort, während Mrs Wetherby in einem Haufen farbiger Stricknadeln wühlte.
»Grässlich«, bestätigte Mrs Wetherby. »Man hat kaum gewagt, es mir zu erzählen. Und als man es dann doch tat, hatte ich das fürchterlichste Herzklopfen. Ich bin so empfindlich.«
»War für uns alle ein Schock«, meinte Mrs Sweetiman. »Der junge Mr Upward, der hat sich das furchtbar zu Herzen genommen. Diese Schriftstellerin, die hatte wirklich mit ihm zu tun, bis der Doktor kam und ihm ein Seditiv gab oder so was. Er ist jetzt nach Long Meadows gezogen, konnte nicht mehr in Laburnums bleiben – und da kann ich ihm wirklich keinen Vorwurf machen. Janet Groom ist nachhause gegangen, zu ihrer Nichte, und die Polizei hat den Schlüssel. Die Dame, die die Mordbücher schreibt, ist nach London gefahren, aber sie kommt zur Leichenschau wieder her.«
Mrs Sweetiman gab all ihre Informationen mit Genuss weiter. Sie war stolz darauf, immer alles zu wissen. Mrs Wetherby, deren Verlangen nach Stricknadeln vielleicht mit dem Wunsch zusammenhing zu erfahren, was los war, bezahlte ihren Einkauf.
»Es ist sehr aufregend«, sagte sie. »Das ganze Dorf bekommt einen direkt gefährlichen Anstrich. Wahrscheinlich treibt sich ein Irrer herum. Wenn ich daran denke, dass meine liebe Tochter in jener Nacht draußen war, dass man sie hätte angreifen, vielleicht sogar töten können!« Mrs Wetherby schloss die Augen und schwankte leicht. Mrs Sweetiman beobachtete sie voll Interesse, aber ohne
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