Vier Tage im August
verwaiste Katze ihm immer noch um die Beine strich, hob er sie hoch und nahm sie mit.
DIE GETÖTETEN HUNDE WOLLTEN LEO nicht aus dem Sinn, seit er am Morgen aufgewacht war, pöbelten sie in seinem Kopf herum. Er war auf dem Sofa eingeschlafen, in Kleidern. Nun tat ihm alles weh, sogar das Zahnfleisch schmerzte.
Der Tisch in der Küche war leer, demnach hatte Leo seine Messer weggeräumt und sich, ja, mit einem letzten Bier vor den Fernseher gesetzt. Aber warum stand jetzt eine leere Flasche indischer Rum neben dem Sofa?
Leo trank Wasser, ein großes Glas, ohne abzusetzen.
Im Waschbecken lagen seine abgeschnittenen Haare.
Unter der Dusche, heiß und kalt, wurde nichts besser.
Die Wohnung war stickig. Auf dem Bauplatz unter dem Balkon wummerten schwere Baumaschinen. Ohne Ziel verließ Leo das Haus, vielleicht blieben die Hunde zurück. Wenn er sich in sein Auto setzte und einfach losfuhr, vermochte er sie ganz bestimmt abzuschütteln. Er könnte Alice besuchen und ihr den Himmelstein schenken. Er ging zu Fuß zum Kiosk. Dort gab es Kaffee und Süßwaren. Die Spiegelung in einem Schaufenster machte ihn argwöhnisch, bevor er sich endlich erkannte. Der Glatzkopf mit den kaputten Ohren und dem flachen Gesicht stimmte so gar nicht mit seinem Selbstbild überein. Leo hatte sich an seiner Kleidung erkannt, an den grünen Turnschuhen.
Er hätte seine Enttäuschung und seinen Zorn nicht gegen die Hunde richten sollen. Es sah ihm ähnlich, er schämte sich dafür, bereute aber nichts. Der Gedanke an die Tat ließ ihn erröten, eine Peinlichkeit. Man konnte sich nicht dagegen wehren. Es hing mit den Hormonen zusammen, hatte ihm jemand erklärt, mit erweiterten Blutgefäßen.
Leo hatte sich damit abgefunden.
Die Reue hingegen war von seinem Willen abhängig. Eine Sache bereuen, musste man wollen. Reue und Buße waren Leo schon oft abverlangt worden, Demutsgesten. Sie erinnerten ihn an die Kindheit. An ein gottesfürchtiges Elternhaus und die Strafsucht der Kirche. Auf die Knie. Schuld. Asche aufs Haupt. Diesen Terror hatte er hinter sich. Leo Zimny war nicht der Typ der freiwilligen Reue. Wenn schon, dann bereute er die Taten, die er nicht ausgeführt hatte.
Gab es nicht den gerechten Zorn?
Er hatte es bisher versäumt, ein paar Idioten abzustechen.
Leo glaubte manchmal, wie ein Nashorn zu ticken. In welcher Stadt er sich auch herumtrieb, wenn es dort einen Zoo gab, besuchte er sein Lieblingstier. Ein Nashorn braucht keinen Schlaf, es sieht manchmal nur aus, als schlafe es. Ein Nashorn vertreibt Schmeißfliegen mit einem Zucken der Ohren. Noch fürchtet oder plant es Angriffe, es explodiert. Genau wie Leo, wenn der Zorn ihn übermannte. Vorwärts Marsch. Von Null auf Hundert. Ganz und gar nicht buddhamäßig. In der Schule, im Zeichenunterricht, war Leo für das schönste Nashorn gelobt worden, er hatte sich exakt an die Malvorlage gehalten. Noch jetzt setzte er sich gelegentlich an den Tisch und malte ein Nashorn. Er liebte Malvorlagen. Sie garantierten ein gutes Ergebnis. Leo Zimnys Dilemma war es, tief von Buddha beeindruckt zu sein und sich trotzdem oft wie ein Nashorn zu verhalten. Er fühlte sich zwischen diesen Polen hin- und hergerissen. Leo wäre gern mehr wie Buddha gewesen. Wenn er ein Nashorn malte, war er es am ehesten.
Die Angst steckte ihm in den Knochen. Verdammte Angst. Sie ließ sich nicht kleinkriegen. Er quälte sich mit der Möglichkeit herum, bei dem Handgemenge in Genua von Paul erkannt, ja fotografiert worden zu sein. Er hätte nicht mit dem Fiat abrauschen und Pauls Kamera zurücklassen sollen.
Wild entschlossen, nein, ganz kalt schwor er, sich heute auf das Wesentliche zu konzentrieren und auf jede Kleinigkeit zu achten, zum Beispiel darauf, dass er, wenn er das Messer einsetzte, es nicht überhastet zückte. Er wollte kein zweites Mal kleine Kläffer zum Schweigen bringen. Aber die Hunde hatten nicht Ruhe gegeben, er hatte den Zwinger betreten müssen. Der Rüde war an ihm hochgesprungen, hatte nach seiner Hand geschnappt.
Ich verstehe dich, Leo, du hast ihn dafür bestrafen müssen.
Alice vertraute ihm aus unerfindlichen Gründen.
Ebenso unergründlich war, weshalb er Alice liebte.
Warum er ihr aus der Hand fraß.
Sie war unwiderstehlich. Das hatte er schon damals gedacht, bei ihrer ersten Begegnung. Das stolze Lachen, ihre Furchtlosigkeit; ihm gefiel ihre selbstsichere Art.
Liebe auf den ersten Blick.
Gleich war er dieser Frau verfallen.
Nach dem Training hatte Leo damals im
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