Villapark - Koestlbachers zweiter Fall
hast, weil sie hier tot vor dir gelegen hat, weil
dich ihr Gesicht nun verfolgen wird. Was auch immer sie getan haben mag,
sie wurde zu dem gemacht, was sie am Ende war. Du kennst ihre Familie, kennst
vor allem ihre Schwester. Es wäre nicht das erste Mal, dass Geschwister das
selbe Trauma erleben müssen.«
Und dann sagte der Dr. Kroner noch etwas, was der Köstlbacher am
allerwenigsten von ihm erwartet hätte:
»Ich hasse diesen Job! Und wie ich ihn hasse! Ich habe meinen vorzeitigen
Ruhestand beantragt! Die hier war nur der Auslöser. Ich kann nicht mehr!
Verstehst du?«
Der Köstlbacher sah seinen Freund an, sah ihm in die Augen und nickte. Dann
gab er ihm seine rechte Hand löste sie wieder und nahm stattdessen den Ernst in
seine Arme. So wenig dieser Trost die Situation auch ändern konnte, dem Ernst
bedeutete diese Geste sehr viel.
»Du hörst von mir!«, sagte der Köstlbacher, bevor er sich endgültig zum
Gehen wandte.
»Das will ich doch hoffen!«, antwortete der Dr. Kroner und hatte wieder ein
leises Lächeln auf seinen Lippen, das, mit dem er alle immer Glauben machte, er
sei ein glücklicher Mensch.
Der Köstlbacher und der Liebknecht wollten gerade ins Auto einsteigen, als
ihnen der Dr. Kroner nachgelaufen kam, sie mit einem »Halt! Noch auf ein Wort!«
zum Warten veranlasste und etwas außer Atem sagte:
»Übrigens, was ich ganz vergessen habe zu erwähnen, die Münzer hatte
fremdes Körpergewebe unter ihren Fingernägeln. Widerspräche der
Suizidtheorie! Kann sie aber auch schon länger da gehabt haben. So etwas lässt
sich leider kaum zweifelsfrei feststellen. Solltet Ihr von irgendwelchen Verdächtigen
Vergleichsmaterial haben oder noch bekommen, dann schickt es mir! Ich
werde mich schnellstens drum kümmern!«
»Danke!«, sagte der Köstlbacher. »Wird gemacht!«
Bismarckplatz
(Kapitel 16)
Selten zuvor war der Bismarkplatz so belebt, wie an den lauen Abenden anfangs
Juli, als die Regen- und Kälteperioden, die in den beiden Vormonaten immer
wieder aufkommende Sommergefühle ausbremsten, endgültig der Vergangenheit
anzugehören schienen. Wie es zustande kam, dass ein Platz, den die Regensburger
bisher eher etwas stiefmütterlich behandelt hatten, plötzlich derart an
Interesse gewann, darüber kann man nur mutmaßen. Vielleicht lag es ja auch gar
nicht so sehr am Zauber dieses Platzes zwischen Stadttheater und dem
Gebäude der ehemaligen Französischen Gesandtschaft. Vielleicht sind, so wie du
auch, viele Nachtschwärmer einfach nur vor der hässlichen Baustelle geflohen,
die dem Lieblingsplatz der Regensburger, dem Haidplatz, schon seit Monaten
seinen Charme genommen hat. Wer sitzt auch schon gerne in einem Café, das normalerweise
einen fantastischen Blick auf Regensburgs mittelalterliche Patrizierhäuser
und die überall flanierenden Menschen im ständigen Gratisangebot hatte, in dem
du wie auf dem Präsentierteller verweilen konntest, soweit es dich danach
gelüstet hat, das momentan aber nur noch von Baulärm, Bauzäunen und schwerem
Gerät umgeben war?
So war auch der Stadtrat Willi Faltenhuber so gut wie nicht mehr auf dem
Haidplatz zu sehen. Wahlweise, je nach Lust und Laune, trank er seinen Espresso
in einem der zahlreichen Altstadtcafés, bevorzugte dabei aber eher die
kleinen Locations, wie auch am Bismarkplatz eine zu finden ist. Von seiner
Nobelwohnung in der Gesandtenstraße in der restaurierten Schnupfe,
der ehemaligen Schnupftabakfabrik Regensburgs, hatte er nur
wenige Schritte zum Bismarkplatz.
So richtig genutzt hat der Faltenhuber seine Wohnung ja eigentlich nur als
Schlafstätte und neuerdings, seit ihn seine Frau verlassen hat, auch für seine
amourösen Abenteuer. Früher ist er deswegen oft in ein tschechisches Bordell gefahren.
Aber weil diese Vorliebe von ihm im Zuge der Ermittlungen vom
Kommissar Köstlbacher an einem Mordfall quasi als Nebeneffekt publik geworden,
hat der Faltenhuber sein Betätigungsfeld ins heimatliche Regensburg verlegt.
Das mit seiner Frau kam ihm in diesem Zusammenhang sehr gelegen, weil wo kannst
du unkontrollierter herumvögeln, als in deinen eigenen vier Wänden. Der häufig
wechselnde Damenbesuch fiel in der Schnupfe zudem niemandem groß auf. Dazu
kocht dort jeder viel und zu sehr sein eigenes Süppchen. Und so einer wie der
Stadtrat Faltenhuber, der ist eben einer der fleißigen Sorte, einer, der sich
schon mal Arbeit mit nach Hause nimmt, quasi den Parteiverkehr nicht nur
auf seine offiziellen Stadtratsprechzeiten im
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