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VILM 02. Die Eingeborenen (German Edition)

VILM 02. Die Eingeborenen (German Edition)

Titel: VILM 02. Die Eingeborenen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karsten Kruschel
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wenigen Minuten bei Kevin, auf Wegen, die zu gehen der Reporter nicht gewagt hätte und die er nicht wiederfinden könnte, obwohl er Tom bei der halsbrecherischen Tour zugeschaut hatte. Als Tom neben Kevin stand, atmete der Junge kaum schneller, trotz der eben vollbrachten akrobatischen Übung durch das bemooste Durcheinander aus Trümmern, zerrissenem und verbogenem Metall. Er trug eine kurze Hose mit mehrfach gekreuzten Gurten über Brust und Rücken, an denen kleine Taschen und ein flacher Tornister befestigt waren. Die Nässe, die auf seinen bloßen Schultern und Beinen glänzte, war Regenwasser und kein Schweiß. Kevin lief es kalt den Rücken hinunter, als er das sah. Das einzige Kleidungsstück Toms, das dem Wetter halbwegs angemessen schien, waren die soliden Stiefel, mit dicken Sohlen und bis über die Mitte der Scheinbeine hoch geschnürt. »Ich hab Ihnen was mitgebracht«, sagte Tom und warf den Tornister ab, »was zu essen, trockene Decken und so.«
    Kevin starrte auf die Decken, auf den Weltenkreuzer-Standardoverall und die wunderlichen Früchte, die von den Kindern hier in Massen gegessen wurden, obwohl sie widerlich aussahen. »Weiß dein Vater davon?«, fragte er.
    »Natürlich nicht.« Tom ließ sich vor der Schleusenhöhle nieder und strich mit gewohnter Bewegung Regentropfen aus dem Gesicht. Sein Haar war kurzgeschnitten wie das aller Vilmer, es war praktischer so. Kevin mit seinen durchfeuchteten Locken trug eine kalte Badekappe auf dem Kopf, die immer schwerer und steifer wurde. Er griff nach einer Decke und schlang sie um seinen zitternden Körper. Seine Finger konnten das flauschige Material kaum festhalten. »Wie hast du mich nur gefunden?«
    Tom lächelte. »Nicht ich«, sagte er und wies auf das Eingesicht, das sich nicht bewegte, »sie hat dich gefunden.«
    Ein Rätsel mehr, dachte Kevin resigniert, kommt es darauf noch an? Brauchen wir mehr Geheimnisse, seit Orsini und Bomarzo und die Garnisonen mit ihnen verschwunden sind? Und wieso habe ich das Gefühl, das Tier würde aufpassen, was ich mache? Egal. »Wie ist das mit meiner Abreise?«, fragte er.
    »Ganz einfach. Sie wollen nur deine Aufnahmen. Alle.«
    »Meine Aufnahmen?«
    »Die, auf denen einer im Regen duscht; die, auf denen die Schleichwege im Gestrolch sind; die, auf denen Kinder geflickte nasse Overalls tragen, deine Spielzeuge aus dem Matsch suchen und Wurbls töten. Überhaupt alle Aufnahmen. Alle, ohne Ausnahme.«
    Kevin starrte den Jungen mit offenem Mund an. Erst jetzt fiel ihm auf, dass der ihn geduzt hatte. »Dein Vater schickt dich, stimmt’s?«, sagte er ärgerlich.
    »Nein«, wiederholte Tom ruhig, »ich habe nur zugehört.«
    »Was passiert, wenn ich nichts herausgebe?«
    Der Junge wies mit einer stillen und umfassenden Geste auf die Höhle, in der sie einander gegenübersaßen; deine Höhle, sagte diese Bewegung, feine Höhle. Prima Höhle, kannst du behalten. Toms Ruhe hatte etwas Urzeitliches. Er wirkte hineingeboren in diese Welt, in der er, ohne zu zittern, so gut wie nackt, nur mit dieser lächerlichen kurzen Hose und ein paar Riemen aus Rehschweinleder bekleidet im kalten Regen sitzen konnte. Die Tropfen perlten an Toms Körper ab und überzogen die völlig weiße Haut mit demselben feuchten Schimmer, der auch auf allem anderen lag.
    »Wird wieder Nebel sein, wenn der Gleiter das nächste Mal kommt?«, fragte Kevin leise; er hatte aufgegeben.
    Tom zuckte kaum merklich mit den Schultern und antwortete nicht. Hätte er grinsend bejaht, wäre es Kevin wohler zumute gewesen. Er hätte die Schuld an dieser Situation auf Vilm oder Hubert Cass oder auf etwas Unbekanntes schieben können. So blieb es eine Geschichte, in der er selbst eine Rolle spielte, wenn es ihm auch nicht klar war, welche.
    Als sie zusammen hinunter ins Dritte Dorf gingen, tauchte Tonja auf, die Kevin flüchtig kennengelernt hatte und die wie alle anderen Vilmkinder weit älter aussah, als sie war, und auf jedem Schritt von einem dieser hundeartigen Tiere begleitet wurde. Normalerweise hätte Kevin dem Anblick des Mädchens mehr Aufmerksamkeit gewidmet, trug doch Tonja nicht mehr als Tom am Leib. Der Reporter registrierte, dass Tonjas straffe Brüste von den gekreuzten Lederriemen hübsch eingerahmt wurden und ihre Schultern kaum schmaler waren als die Toms, aber das drang erst später in sein Bewusstsein, als alles vorbei war. Jetzt machte ihm der unebene Boden unter seinen Füßen zu schaffen, musste sich Kevin auf Tom oder auf Tonja stützen, um

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