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Vilm 03 - Das Dickicht (German Edition)

Vilm 03 - Das Dickicht (German Edition)

Titel: Vilm 03 - Das Dickicht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karsten Kruschel
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ob er sich selbst in Gefahr begeben oder die ganze Sache einfach den Vilmern überlassen sollte. Will hätte sich sicherlich um alles gekümmert, auf welche Weise auch immer. Der Administrator hatte noch jeden Tipp aufgegriffen, den er von dem Goldenen bekommen hatte, wenn auch die Art und Weise, in der er das tat, oft etwas, nun ja, unkonventionell gewesen war.
    Diesmal war es anders. Pak-46-erg wusste nicht, warum. Es mochte damit zu tun haben, dass die Kränkung noch in ihm steckte, nachdem er so brüsk aus dem Büro-in-den-Wolken gewiesen worden war. Nicht nur, dachte Pak-46-erg, nicht nur. Es hat auch etwas mit diesem seltsamen Menschen zu tun.
    Der Goldene stand in einer der Nebenstraßen von Vilm Village, als wolle er den Regen über seine Körperfolie waschen lassen. Er starrte zum Gipfel der Scherbe hinauf, den nackten Leib an die Wand hinter sich gelehnt. Mit der rechten Hand hielt er sich an der Straßenecke fest, als mache ihn der Anblick des turmhohen Trümmerstücks schwindlig. In Wirklichkeit sah er es gar nicht.
    Seine Fingerspitzen zeigten die Hauptstraße hinunter und lieferten ihm über seine enganliegende Schutzhülle und die Implantate ein leidlich brauchbares Bild des verdächtigen Individuums. Es handelte sich um einen unauffälligen Mann, der sich seit seiner Ankunft auf Vilm Gustave Hermès nannte und heute zu einer seltsamen Zeit auffällige Dinge tat. Es war sehr früh, noch nicht ganz hell, und kein Mensch war unterwegs. Sonntag. Die Tradition des Sonntags als Ruhetag hatte sich unter den Siedlern auch nach dem Absturz erhalten. Der Nuntius freute sich hin und wieder aus unbegreiflichen Gründen sehr darüber. Dass jemand an diesem Tag derart früh unterwegs war, schien seltsam. Dass er zielbewusst und um sich blickend in eine Gegend strebte, in der sowieso nicht viel und am Sonntag gar nichts los war, schien verdächtig.
    Und summierte sich zu anderen Verdachtsmomenten.
    Jetzt schoss der Mann einen wachsamen Blick hinter sich die Straße entlang, zog ein kleines Gerät hervor und warf einen Blick darauf. Pak-46-erg wusste, dass er von dem Apparat unweigerlich entdeckt worden wäre, hielte er sich nicht hinter der Mauer verborgen.
    Dann bog der verdächtige Herr Hermès ab und verschwand aus dem Blickfeld der Fingerspitzen. Der Goldene sprintete los, um an der nächsten Ecke Posten zu beziehen. Das wohlverdiente Fett auf seinen Rippen geriet in wogende Bewegung.
    Der seltsame Mensch hatte sich benommen wie alle anderen Touristen auf dem Regenplaneten – die örtlichen Sehenswürdigkeiten besucht, sich dem Regen hingegeben und platschnass geworden, immer wieder zum Wechseln der Kleidung auf sein Zimmer gegangen. Pak-46-erg hatte ihn dabei unauffällig überwacht und Daten gesammelt. Sehr viele Daten, die alle in den Implantaten des Goldenen kursierten, während sein wacher Geist unermüdlich versuchte, Korrelationen zu finden.
    Es waren ja nicht nur die wachsamen Augen, die aus der Residenz der Bruderschaft heraus auf allen denkbaren Frequenzbändern die Regenwelt durchmusterten. Pak-46-erg verfügte auch – dank seinen Verbindungen innerhalb der Goldenen Bruderschaft – über alle Aufzeichnungen, die rund um das Verschwinden des Prototyps viele Sternensysteme entfernt gemacht worden waren.
    Und über viele – nicht alle – Aufnahmen, die allerlei Kevins geliefert hatten, jene kleinen bunten Schmetterlinge, die aus wenigen Gramm Elektronik bestanden und äußerst neugierig waren. Er hoffte inständig, dass weder Will noch sonst ein Vilmer jemals herausfinden würde, dass die Goldenen die Signale dieser kleinen Kundschafter hin und wieder, hm, zweitverwertet hatten.
    Hinzu kamen Informationsbestände, die ihm von den Niederlassungen auf Atibon Legba überlassen worden waren.
    All das gerann in seinem Verstand zu einem ganz bestimmten Verdacht.
    Es war ein Bewegungsmuster.
    Als Gustave Hermès pflichtschuldigst die Scherbe besichtigt hatte, tat er, was alle tun: Den Kopf in den Nacken legen und zum schartigen Gipfel des kolossalen Fragments hinaufstarren. Dabei zeigte die Geste eine kleine Anomalie, einen charakteristischen seitlichen Schlenker – womöglich die Folge einer nicht sehr professionell behandelten Verletzung oder die eines angeborenen Ungleichgewichtes. Egal. Denselben kleinen Schlenker hatte man an einer Person beobachtet, die sich in der Nähe der schier endlos aufgereihten, ewig nicht mehr benutzten Container am Rande von Vilm Village herumgetrieben hatte. Dieselbe

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