Vilm 03 - Das Dickicht (German Edition)
Teppichen aus Trieben und Sprösslingen herumwimmelte, war hier nur eine topfebene, braunschwarze Fläche, deren Bewuchs tot und vertrocknet war.
Und überall lagen bewegungslose kleine Körper herum.
»Das will ich von nahem sehen«, stieß Tonja hervor und sprang auf.
Adrian starrte immer noch durch die Fenster, als die beiden Körper der Vilmerin auch schon aus der Luke gesprungen waren. Sie hockte sich bei einem reglosen Leib nieder, schnüffelte am nächsten, stupste totes Fleisch an und wich enttäuscht zurück. Wenn sie von einer der Leichen zur nächsten ging, wallte Staub auf unter ihren Füßen und Pfoten.
»Tote Schreilen, mit weit aufgerissenen Mäulern«, beschrieb sie, was sie fand. »Tote Springwolf-Babys, zusammengerollt wie im Nest des Muttertieres. Tote Rehschweine, auf der Flucht vor irgendetwas mitten im Lauf umgefallen und liegengeblieben. Tote Wolkentaucher, leblos aus der Luft herabgefallen wie schwarzer Hagel. Sogar tote Astwürger, zu steinharten Klumpen zusammengekrampft.«
Tonja teilte über den Sprechfunk alles mit, was sie fand. Es waren auch ein paar Tiere dabei, die sie gar nicht kannte. Tot waren sie dennoch, wie alles hier. Dann erstarrte sie und beugte sich über ein besonders schattiges Stück des schauderhaften Gartens.
»Das hier sind, man kann es nicht glauben, tote Wurbls. Sie sind aus dem Boden der Sämlingslinse hervorgekrochen.«
Sie sträubte das Fell und wich zurück, streckte die Hand aus und traute sich dann doch nicht, das verreckte Vieh zu berühren.
»Wurbls sind wohl das widerstandsfähigste, primitivste und zäheste Tier der gesamten Vilm-Fauna. Und man hat noch niemals einen Kadaver gefunden, weil jeder irgendwie zu Tode gekommene Wurbl umstandslos von seinen Artgenossen gefressen wird.«
Tonja sah sich um.
»Es gibt keine Leichname von Wurbls. Und hier liegen sie dennoch zu Dutzenden herum. Keines von ihnen hat die Überreste der anderen gefressen. Das ist sehr seltsam ... Und so, wie es hier riecht, liegen die alle schon eine Weile.«
»Tonja, komm sofort in den Kugler zurück«, sagte Adrian, der eine furchtbare Ahnung hatte. »Schnell!«
Während Tonja-J zurücksprintete, ging Tonja-A erst ein paar Schritte rückwärts. Sie konnte den Blick nicht von diesem grausigen Anblick lassen. Dann zog sie endlich dieselben Schlüsse wie der alte Mann und beeilte sich, zu dem Fahrzeug zurückzukehren.
Es klappte seine Luke zu, kaum dass sie hineingehuscht war.
Tonja erschrak, als sie den alten Techniker in einen Schutzanzug gehüllt und mit einer Atemmaske vor dem Mund vorfand. Er versuchte, möglichst nicht in ihre Nähe zu kommen, was angesichts des beengten Raumes schwierig war.
»Du setzt am besten auch so ein Ding auf«, sagte er und reichte ihr eine ebensolche Maske. »In deinem Fell könnte eine Menge von dem Teufelszeug sein.«
Ihre Stimme klang genauso dumpf und unwirklich wie die Harenberghs, als sie durch die Schutzmaske hindurch sprach.
»Vergiftet. Irgendetwas hat versucht, das Gestrolch zu vergiften.«
Harenbergh nickte.
»Oder irgendjemand.«
Er warf einen langen Blick auf Tonja-J, aus deren Nasenlöchern bereits der Rotz lief. Er tropfte auf den Boden und bildete dort glibberige Klumpen.
»Entschuldigung«, sagte Tonja.
Sie hatte es auch gesehen. Und sie hatte es gespürt.
Adrian schüttelte den Kopf. Er fürchtete, sich die letzten Jahre seines Lebens darüber grämen zu müssen, dass er nie die Idee gehabt hatte, auch für die sechsbeinigen Teile der Vilmer Atemschutzmasken herzustellen. Oder Schutzanzüge. Diese Wesen waren für ihn immer so stark und vital und unbesiegbar gewesen.
»Lass uns zurückfahren«, sagte er. »So schnell wie es nur geht, die anderen müssen davon erfahren.«
Und, setzte er in Gedanken hinzu, sie müssen versuchen, einen völlig vergifteten Vilmer zu retten.
Der Kugler stelzte – auf Autopilot gestellt – so rasch wie nur möglich den Weg zurück, den er gekommen war. Der vom Dickicht geöffnete oder installierte Tunnel war immer noch offen. Tonja atmete nur noch flach; ihre beiden Körper lagen völlig schlaff auf dem Boden der Kabine. Hin und wieder flatterten die Mittelpfoten und schienen irgendwohin zu deuten.
Der alte Mann schaute immer wieder ungeduldig hinaus. Er kannte die Möglichkeiten seiner eigenen Konstruktion und wünschte dennoch, er könnte den Kugler zu einem höheren Tempo bewegen.
Und er dachte darüber nach, dass die ihnen erteilte Erlaubnis einzutreten gar keine Erlaubnis
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