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Viola - Das Tagebuch der Sklavin

Viola - Das Tagebuch der Sklavin

Titel: Viola - Das Tagebuch der Sklavin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sira Rabe
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    «Erzähl es mir. Jetzt. Und vergiss nicht – Ehrlichkeit und Wahrheit werden niemals bestraft, Daphne. Wenn mich Schuld trifft, sprich es ohne Angst aus. Wenn du meine Hilfe brauchst, sag es. Aber belüge mich nicht.» Seine ruhige, sanft fordernde Stimme half ihr, sich zu konzentrieren und zu erinnern.
     
    Es war vorletztes Weihnachten gewesen. Was alles dazu beigetragen hatte, ihre Verzweiflung auszulösen, wann ihre destruktiven Gedanken angefangen hatten, das wusste Daphne nicht mehr. Vielleicht war irgendetwas in der Arbeit geschehen, während des üblichen Vorweihnachtsstresses. Die Klienten waren ungeduldig, die Stimmung übertrug sich auf alle Mitarbeiter, jeder fühlte sich gestresst. Die Adventswochenenden vergingen so verdammt schnell, es blieb kaum Zeit füreinander, auf jeden Fall hatte sie die gemeinsame Weihnachtszeit sehnsüchtig erwartet. Zwei Wochen. Freie Tage für Zweisamkeit, ein bisschen Romantik und Liebe.
     
    Aber es kam anders. Daphne fühlte sich oftmals alleine. Es war wunderschönes Winterwetter, hatte üppig geschneit, es war kalt, aber der Himmel strahlend blau. Der Schnee glitzerte mit kleinen kristallinen Funken im Sonnenlicht. Jedes Mal wenn sie Jesper bat, mit ihr spazieren zu gehen oder etwas anderes zu unternehmen, hatte er eine Ausrede oder einfach keine Lust. Auch sonst war er sehr einsilbig, umarmte sie kaum, küsste sie nur flüchtig, war an sexuellen Zärtlichkeiten nicht interessiert. Daphne fand nicht heraus, was mit ihm los war. Am liebsten wäre sie wieder arbeiten gegangen, um abgelenkt zu sein. Jespers chronisch schlechte Laune, seine ihr unverständliche depressive Stimmung schlug ihr aufs Gemüt. Sie fühlte sich einsam und manchmal weinte sie sich abends heimlich in den Schlaf.
     
    Eines Nachmittags beschloss Daphne, alleine spazieren zu gehen, versuchte Sonne und Schnee zu genießen. Das ständige Zuhausehocken ging ihr angesichts des schönen Wetters auf die Nerven. Sie hoffte, dass ein Spaziergang an der klaren Luft sie trösten würde, und stapfte auf einem halb zugeschneiten Weg durch den Wald. Die Äste der Nadelbäume hingen schwer herunter und streiften ihre Mütze. Mehr als einmal ging eine dichte Wolke pulvrigen Schnees auf sie herunter. Sie lachte laut. Aber das Lachen befreite sie nicht. Das Gegenteil war der Fall. Sie fühlte sich noch einsamer, vermisste Jespers Begleitung.
     
    Während dieses Spaziergangs und in den Stunden danach überfielen sie immer öfter Gedankenfetzen, sich diesem unerträglichen Zustand, dessen Ende nicht abzusehen war, zu entziehen, indem sie ihrem Leben Adieu sagte. Als ob ein kleiner Teufel in ihrem Kopf säße und ihr immer wieder vor Augen führte, wie alleingelassen sie wäre. Sie war ihm doch gleichgültig. Der Winterwald wäre ein geeigneter Ort. Alle überflüssigen Kleidungsstücke wie Schuhe, Halstuch und Jacke würde sie ausziehen, um schneller durchzukühlen und zu erfrieren. Wenn sie sich einen Platz im Unterholz suchte, bei einem Spaziergang kurz vor Einbruch der Dunkelheit, dann wäre sie längst erfroren, ehe Jesper sie vermisste und ein Suchtrupp sie fände. Nach einer vermissten Erwachsenen würde man bestimmt nicht so schnell und intensiv suchen wie nach einem Kind. Ideal wäre ein Tag mit üppigem Schneetreiben, sodass ihre Spuren verwischt würden.
     
    Daphne hielt kurz inne, um sich zu sammeln. Sie zitterte angesichts der Heftigkeit ihrer Geschichte, fühlte noch einmal die Angst vor Kälte und Dunkelheit, die Angst vor der Endgültigkeit einer solchen Entscheidung. Sie schlang verzweifelt die Arme um den Leib, dann fuhr sie stammelnd fort. Erst in dieser Situation hätte sie begriffen, dass sie gar nicht so mit sich selbst im Reinen war, wie sie geglaubt hatte. Sie war immer der Meinung gewesen, sie würde das Leben meistern, mit jedem Problem auch alleine fertigwerden. Dass verhältnismäßig wenig nötig war, sie aus der Bahn zu werfen, wenn sie sich nicht geliebt und beschützt fühlte, machte ihr Angst. Nannte man so etwas eine Depression? Sie hatte versucht, diesen Zustand zu analysieren, an sich selbst gewissermaßen eine psychologische Studie durchzuführen, mit dem Ergebnis, dass sie nichts herausfand außer der Erkenntnis, dass die Schaltungen und die Logik von Gehirn und Gefühlen wohl unergründlich seien.
     
    Jespers Entsetzen wuchs mit jedem Wort, das sie hinzufügte. Er war sich darüber im Klaren gewesen, dass die herausgetrennten Blätter eine schreckliche

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