Viola - Das Tagebuch der Sklavin
Wahrheit enthalten mussten, sonst hätte Daphne sie nicht entfernt. Dennoch hatte er inständig gehofft, sich zu irren, und Daphne würde ihm eine harmlosere Geschichte erzählen. Es tat ihm weh, sie zu beobachten, wie sie sich quälte, und es traf ihn hart, eine Teilschuld zu haben. Alles Mögliche hatte er befürchtet, dass sie einen One-Night-Stand gehabt oder sich in einen anderen Mann verliebt hätte, was ohne Zweifel noch viel schlimmer gewesen wäre.
Daphne bibberte inzwischen am ganzen Leib, atmete keuchend, rieb mit der einen Hand unbewusst die Finger der anderen, sprach hastig in Wortgruppen, verschluckte manche Silben, die er sich hinzudenken musste, und er nahm seine ganze Kraft zusammen, sie ausreden zu lassen und sie nicht beschwichtigend in seine Arme zu nehmen. Als sie fertig war, fragte er betroffen: «Warum bist du nicht zu mir gekommen? Warum hast du mir nicht vorgeworfen, dass ich dich alleine lasse, dass ich dich vernachlässige?»
«Ich habe es versucht, aber du warst völlig in dich abgekapselt. Ich bin nicht an dich rangekommen. Wahrscheinlich hast du selbst ein Problem gehabt, über das du mit mir nicht sprechen wolltest. Da wollte ich dich nicht zusätzlich belastenᅠ…»
Jesper begriff schmerzlich, dass es ihr nicht an Vertrauen mangelte. Sie hatte ihm eine Zufriedenheit vorgespielt, die überhaupt nicht den Tatsachen entsprach, weil er sich wie ein Felsblock verhalten hatte, unfähig, über das zu sprechen, was ihn damals bedrückt hatte. Doch das war nun unwichtig geworden. Natürlich war es ihm nicht entgangen, dass sie manchmal zu wenig miteinander redeten, woran sie beide gleichermaßen Schuld trugen. Der Gedanke, dass er sie eines Tages hätte tot auffinden können, ohne jemals das Warum begreifen zu dürfen, war allerdings viel zu entsetzlich, um weiter darüber nachzudenken. Es galt, nach vorne zu schauen und die immer noch lauernde Gefahr zu bannen.
«Sprich weiter, was hat dich wieder davon abgebracht?»
Leise setzte Daphne ihre Erzählung fort. Sie erinnerte sich nicht mehr daran, was ihr Hoffnung gegeben und sie von ihrem Vorhaben abgehalten hatte. Es war so etwas wie ein Verbot, diesen endgültigen Schritt zu unternehmen, es sich selbst und damit auch ihm anzutun. Sie durfte einfach nicht. Dennoch – die Idee geisterte von Zeit zu Zeit durch ihren Kopf, war schwächer geworden, aber nicht vergessen.
Erschöpft vom langen Reden und der schrecklichen Erinnerung sank Daphnes Kopf nach unten. Sie fühlte sich leer und ausgebrannt. Dann ließ sie sich auf einmal langsam nach vorne fallen, plumpste auf den Boden und blieb in einer leicht verkrümmten Stellung liegen. Sie fühlte sich, als hätte sie keine Muskeln mehr. Es war ihr alles egal. Sie fühlte sich vollkommen ausgelaugt, zitterte wie unter Krämpfen und ihr war zum Heulen zumute. Aber keine einzige Träne war da, die sie hätte weinen können. Es war vorbei, endgültig vorbei. Sie hatte alles vermasselt, ihm gezeigt, dass sie ihm nicht vertrauteᅠ…
Jesper stand auf und kniete neben Daphne nieder, streichelte ihr schweigend über die Haare. Er hatte Mühe, sie aufzusetzen, weil sie wie ein schlaffer Sack in seinen Armen hing. Entsetzt musste er feststellen, dass sie keine Anstrengungen unternahm, ihn zu unterstützen. Ein leises Wimmern war ihre einzige Reaktion. Als hätte ihre Beichte jegliche Kraft aus ihrem Körper gezogen. Unter ihren geschlossenen Lidern quollen Tränen hervor.
Vorsichtig legte er sie sich über die Schulter, erhob sich ächzend und trug sie ins Schlafzimmer. Er legte sie langsam auf dem Bett ab. Hände und Füße fühlten sich eiskalt an.
Jesper holte eine Wolldecke aus dem Kleiderschrank, breitete sie über Daphne aus, stopfte sie links und rechts und unter ihr fest, sodass Daphnes Arme an ihren Körper gepresst wurden und sie sich nicht selbst daraus befreien konnte. Sie weinte leise. Zärtlich streichelte er ihr über die Wangen und die Haare.
«Es tut mir so leid. Schick mich bitte nicht weg», flehte sie. Ihr Blick war wirr, ihre Augen schauten ihn nicht an, sondern wanderten hin und her, als würde sie ihn gar nicht sehen.
Jesper hielt ihr Gesicht mit beiden Händen fest und gab ihr einen zarten Kuss. Dabei schlug sie die Augen auf und sah ihn mit einem so schmerzvollen Blick an, dass es ihm einen Stich ins Herz versetzte. «Habe ich Euch das wirklich alles erzählt, mein Gebieter?», fragte sie mit plötzlich gestochen klarem
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