Virgil Flowers - 04 - Blutige Saat
ihm gefahren. Im Gefängnis hatte sich ein junger Mann erhängt, während seiner Schicht.«
»Er hat behauptet, Tripp hätte sich erhängt?«, hakte Lee Coakley nach.
»Ja … jedenfalls anfangs. Dann ist er zittrig geworden und hat geweint. Ich kenne ihn ziemlich lange und hatte ihn nie zuvor weinen sehen. Und plötzlich heult er wie ein Schlosshund. Ich wusste nicht, was ich tun soll. Ich wollte ihn trösten …«
»Sie hatten Sex mit ihm?«
»Auf der Couch. Das mochte er immer besonders gern.«
»Ms. Spooner, wir sind von der Polizei«, sagte Virgil, »uns ist nichts Menschliches fremd. Wie mochte er es besonders gern?«
Sie wandte den Blick ab; plötzlich hatte er das Gefühl, dass sie Spaß an dem Gespräch hatte. »Ich … habe ihn mit dem Mund befriedigt.«
Virgil nickte. »Und dann?«
»Bin ich ins Bad … zum Gurgeln …«
Wieder dieses Gefühl, dass sie die Situation auf exhibitionistische Weise auskostete.
»An dieser Art von Sex ist nichts Ungesetzliches«, bemerkte Lee Coakley.
Gott sei Dank, dachte Virgil und sah Kathleen Spooner an. »Sie waren also im Bad …«
»Ich hab den Schuss gehört. Er war schrecklich laut in dem kleinen Haus. Ich wusste sofort, was los ist, bin ins Zimmer gerannt und hab ihn tot daliegen sehen. Kein Zweifel. Vor Angst bin ich total ausgeflippt.«
»Er hat beim Sex die Waffe getragen?«, fragte Virgil.
»Nein. Die steckte im Holster. Als der Reißverschluss von seiner Hose auf war, hat er sie rausgenommen, und ich hab sie auf den Boden gelegt.«
»Sie hatten sie in der Hand?«, erkundigte sich Lee Coakley.
»Ja. Ich hab gesagt: ›Gib mir das verdammte Ding.‹ Dann hab ich die Pistole auf den Boden gelegt, weil kein Tisch da war. Ich hätte sie aus dem Fenster werfen sollen. Nach dem Sex war er immer irgendwie niedergeschlagen, und er war ja schon vorher so durcheinander … Er hat einfach die Waffe gepackt und abgedrückt.«
»Vor dem Schuss hat nichts auf Selbstmordgedanken hingedeutet?«, fragte Lee Coakley.
»Wie gesagt: Er war ziemlich durcheinander.«
»Sie haben die Pistole berührt, als Sie aus dem Bad kamen?«, fragte Virgil.
Sie nickte und sah ihm in die Augen. »Ich wusste, dass er tot und in etwas Schlimmes verwickelt war. Ich hatte Angst, dass ich auch da reingezogen werde. Also hab ich versucht, mit meiner Bluse die Fingerabdrücke von der Waffe zu wischen. Dann hab ich sie neben seine Hand gelegt und bin gegangen. Niemand hat mich gesehen. Mein Wagen stand hinter dem Haus …«
»Woher wussten Sie, dass er in etwas Übles verstrickt war?«, hakte Lee Coakley nach. »Irgendwie fehlt mir da was.«
Kathleen Spooner schien nach den richtigen Worten zu suchen. »Als ich bei ihm angekommen bin, hat er mir erzählt, dass Bob Tripp etwas echt Schlimmes über Jake Flood rausgefunden hatte, über Jake Flood und diese Kelly Baker. Jim hat mir nicht verraten, was, aber ich habe es mir zusammengereimt.«
»Und zwar?«, wollte Lee Coakley wissen.
»Jake Flood muss etwas mit Kelly Bakers Tod zu tun gehabt haben. Alle wussten, dass Sex im Spiel gewesen war. Ich habe das Gefühl … er hat nichts darüber gesagt … dass Jim auch seine Finger mit drinhatte. Er hat von DNS geredet.«
Coakley und Virgil bedachten sie mit einem intensiven Blick.
»Was?«
»Obwohl Sie diesen Verdacht hatten, sind Sie nicht zu uns gekommen …«
»Was hätte ich denn tun sollen?«, fragte sie in weinerlichem Tonfall. »Ich wollte nicht reingezogen werden und brauchte Zeit zum Nachdenken. Sie waren sowieso tot. Und jetzt bin ich ja hier.«
Als sie ihr alles entlockt hatten, was aus ihr herauszubekommen war, sagte Lee Coakley zu Greg Dunn, einem der Deputies an der Tür: »Bringen Sie Ms. Spooner runter zum Befragungszimmer und nehmen Sie ihre offizielle Aussage auf. Wenn Sie fertig sind, begleiten Sie sie zum Büro von Harris. Ich sage ihm telefonisch Bescheid.«
An Kathleen Spooner gewandt, fügte sie hinzu: »Nach Ihrer Aussage – die ist reine Routine – beraten Sie sich mit Harris, ob Sie einen Verteidiger brauchen oder nicht. Ich kann das nicht beurteilen.«
»Okay … Glauben Sie, ich schaffe es hinterher noch in die Arbeit?«
»Das bezweifle ich«, antwortete Lee Coakley. »Aber reden Sie mit Harris. Vielleicht klappt es ja.«
Als Kathleen Spooner weg war, wählte Lee Coakley eine Telefonnummer und sagte zu Virgil: »Harris Toms ist der Bezirksstaatsanwalt.«
»Ich weiß«, erklärte Virgil.
Sie schilderte Toms die Situation und legte auf. Dann bat sie
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