Virgil Flowers - 04 - Blutige Saat
Virgil: »Mach die Tür zu.«
Er tat ihr den Gefallen und sagte: »Sie lügt wie gedruckt, hat ihren Auftritt sichtlich genossen und sich in alle Richtungen abgesichert. Ms. Spooner hat eine Erklärung für sämtliche Beweise gegen sie und ist freiwillig zu uns gekommen. Sie spielt uns was vor.«
»Dafür wissen wir, was in der Sekte läuft.«
»Ja, aber den Fall selber können wir praktisch vergessen«, erwiderte Virgil. »Er ist gelöst. Flood und Crocker haben sich über Kelly Baker hergemacht, und dabei ist etwas schiefgegangen. Sie ist gestorben. Alles war in Ordnung, bis Flood sein Hemd ausgezogen und Tripp gemerkt hat, dass er Liberty ist.«
»Flood findet raus, dass Bob mit Kelly befreundet war, und denkt, Bob hätte eine körperliche Beziehung mit ihr gehabt, weil er nicht ahnt, dass der Junge schwul ist.«
»Du bringst Bob ins Gefängnis«, fuhr Virgil fort, »und alles scheint geritzt. Doch in der Nacht erzählt er Crocker die Geschichte, die er sich eigentlich für Pat Sullivan aufgespart hat. Und Crocker denkt: Heilige Scheiße, die wissen, dass ich Floods bester Freund war. Wenn sie DNS-Spuren von Kelly Bakers Leiche haben, sind die gespeichert. Und wenn ich eine Probe abgeben muss …«
»Also ermordet er Bob, um ihn am Reden zu hindern. Und verliert deswegen die Nerven …«
»Oder weil er meint, dass wir ihm auf die Schliche kommen und wegen der Sache im Gefängnis eine DNS-Probe von ihm wollen. Möglicherweise hat er als Deputy Kontakt zur Gerichtsmedizin und kennt so die Mordtheorie.«
»Egal. Wenn er in der Datenbank ist, hat er ausgespielt.«
»Es gibt zwei Möglichkeiten«, sagte Virgil. »Entweder hat er tatsächlich Selbstmord begangen, was ich nicht glaube, weil die Leute behaupten, er sei ein Feigling gewesen, und weil ich in Kathleen Spooners Blick gesehen habe, dass sie lügt. Oder er hat Kathleen Spooner davon erzählt, und ihr ist klar geworden, dass er die Welt des Geistes auffliegen lassen würde, um nicht selber im Gefängnis zu landen oder um wenigstens eine Strafverkürzung rauszuschlagen. Deshalb hat sie ihn umgebracht.«
»Du neigst zur Mordversion, stimmt’s?«
»Ja. Aber ich weiß nicht, wie wir sie festnageln sollen«, antwortete Virgil. »Wir haben unsere Version der Geschichte, sie die ihre, und kein Gericht der Welt könnte sie zweifelsfrei schuldig sprechen. Eine nette Apothekenangestellte aus der Mittelschicht, die einen Mann umbringt, mit dem sie wieder zusammen sein will? Nein. Das funktioniert nur, wenn wir ihr noch etwas anderes nachweisen.«
Wenig später sagte Lee: »Ich könnte auf der Stelle wieder mit dir schlafen.«
Virgil rutschte auf seinem Stuhl nach vorn. »Der Geist ist willig, doch das Fleisch könnte nach vergangener Nacht schwach sein.«
»Hat’s dir denn Spaß gemacht?«
»Klar, warum fragst du? Gott, du bist eine Naturgewalt.«
Sie streckte sich gähnend. »Bevor sie reingekommen ist, hab ich mich supertoll gefühlt. Verdammt. Aber wir wissen, was da draußen los ist, und wir kriegen diese Scheißkerle.«
»Vielleicht sollte ich mich vorher ein bisschen ausruhen«, sagte Virgil.
Lee Coakley glaubte ihm nicht, dass er ins Hotel fahren würde, um eine Runde zu schlafen, aber das machte er tatsächlich. Er deponierte Schlüssel, Bargeld, Münzen und Handy auf dem Tisch, zog die Schuhe aus, legte sich aufs Bett, schloss die Augen und schlief fünfzehn Minuten. Als er aufwachte, blieb er eine Weile liegen, um zu überlegen.
Der Fall als solcher war gelöst – und hätte er nicht im Haus der Rouses die Fotos gefunden, wäre er definitiv abgeschlossen gewesen. Doch jetzt, da er über die Rouses Bescheid wusste, konnten er und Lee die Angelegenheit nicht auf sich beruhen lassen.
Leider konnten sie niemandem erklären, warum.
Mögliche Lösungen:
Finde einen plausiblen Grund für eine Hausdurchsuchung bei den Rouses. Selbst wenn die Fotos davor vernichtet wurden – unwahrscheinlich, weil die Leute von der Sekte sich nun vermutlich wieder sicher wähnten –, befanden sich noch Spuren der Bilder auf der Festplatte. Und wenn sie die Rouses wegen Kindesmissbrauchs, Pädophilie und Inzests drankriegten, ließen diese sich vielleicht auf einen Handel ein und verrieten die Welt des Geistes.
Nimm dir Loewe vor. Loewe war schwul, was hieß, dass er keinen Sex mit den jüngeren Mädchen gehabt hatte oder das zumindest glaubwürdig abstreiten konnte. Auch hier war unter Umständen ein Deal möglich. Wenn er es allerdings mit
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