Virgil Flowers - 04 - Blutige Saat
kleinen Jungs getrieben hatte, gab es keinen Verhandlungsspielraum.
Schnapp dir Alma Flood. In Alma ging etwas vor, und sie stand unter Druck. Wenn Inzest in der Welt des Geistes gang und gäbe war, hatte sie mit Einstadt schlafen müssen, und ihre Töchter waren zum Sex mit Jake Flood oder anderen Mitgliedern der Sekte gezwungen worden.
Setz Kathleen Spooner unter Druck. Spooner hatte Crocker ermordet – daran bestand für Virgil nicht der geringste Zweifel. Würde sie, wenn er ihr drohte, sie wegen Mordes ins Gefängnis zu stecken, sofern sie nichts über die Welt des Geistes verriet, weiterpokern oder reden? Im Moment würde sie wahrscheinlich eher pokern. Er brauchte ein anderes Druckmittel.
Schnapp dir die Bakers. Wussten sie, dass Crocker und Flood ihre Tochter gemeinsam vergewaltigt hatten? Angeblich hatte Kelly Baker vor ihrem Verschwinden Verwandte besucht. Stimmte das, oder waren außer Flood und Crocker noch andere mit von der Partie gewesen? Vielleicht sogar die Bakers selbst?
Andere Szenarien fielen ihm ein. Ein kleiner Brand im Haus der Rouses, in ihrer Abwesenheit … ein Feuerwehrmann, der die Schachtel im Schrank entdeckte. Ein Hirngespinst, viel zu aufwendig.
Trotzdem: Er musste in das Haus, und zwar offiziell. Wenn es ihm gelänge, die Fotos herauszubekommen, ließen sich andere Mitglieder der Welt des Geistes identifizieren, und man könnte das gesamte System zerstören, in einer Kettenreaktion von Familie zu Familie.
Sobald klar wäre, dass die gesamte Sekte beteiligt war, würden sie sich Durchsuchungsbefehle für alle Mitglieder besorgen, und Beamte des Jugendamtes könnten unter vier Augen mit den Kindern sprechen.
Hmm. Er musste eine Möglichkeit finden, diese Kettenreaktion in Gang zu setzen.
Virgil rief Lee an. »Können wir uns irgendwo – nicht hier – treffen und reden? Bring zwei Deputies mit, denen du vertraust und die den Mund halten können. Der Bezirksstaatsanwalt …«
»Seine Frau ist die größte Klatschbase von Warren County«, fiel sie ihm ins Wort. »Das ist keine gute Idee.«
»Okay. Wir sollten uns trotzdem treffen.«
»Bei mir. Am Mittag. Da sind die Kinder in der Schule. Ich würde gern Dennis Brown dabeihaben, meinen früheren Chef …«
»Den kenne ich«, sagte Virgil. Brown war der Polizeichef von Homestead. »Kannst du dich auf den verlassen?«
»Er gehört zu den besten Leuten von Homestead und kennt hier im County jeden. Dazu Schickel. Der ist ein harter Knochen und verfolgt diese Leute mit der Kettensäge, wenn er von der Sache erfährt.«
»Die Fotos dürfen wir nicht erwähnen«, sagte Virgil. »Überlass die Gesprächsführung mir. Organisier du das Treffen, und ich informiere dich und die anderen und stelle Fragen. Irgendwie müssen wir in das Haus der Rouses, aber von den Fotos dürfen wir nicht reden.«
»Verstanden.«
»Bis in einer Stunde.«
Er putzte sich die Zähne, packte seine Sachen und machte sich auf den Weg ins Café, in dem um diese Zeit nicht viel los war. In den Nischen und auf den Hockern saßen acht bis zehn Gäste, die Zeitung lasen oder sich paarweise unterhielten.
Virgil setzte sich in eine Nische, und Jacoby gesellte sich zu ihm. »Kuchen?«
»Cola light, Hamburger ohne Mayonnaise und andere Saucen.«
»Sie mögen unsere Thousand Islands nicht?«
Virgil erschauderte. »Nicht auf Hamburger, nein. Dazu Pommes ohne Salz und … Blaubeerkuchen.«
Der Mann in der Nachbarnische fragte: »Irgendwas Neues?«
»Heute Morgen war eine Frau bei uns, die behauptet, sie wäre dabei gewesen, als Crocker sich erschossen hat«, antwortete Virgil.
Jacoby setzte sich ihm gegenüber. »Kenn ich die?«
»Crockers Exfrau Kathleen Spooner. Sie sagt, er wäre trübsinnig gewesen wegen Tripp und hätte sich deswegen erschossen.«
»Wow.« Jacoby kratzte sich an der Nase. »Eine Dunkelhaarige. Ich glaube, die war auch bei den Sektenleuten da draußen.«
»Ja, war sie. Oder besser gesagt: ist sie«, bestätigte Virgil. »Ihre Geschichte steht auf wackligen Beinen, aber ich sehe keine Möglichkeit, sie zu widerlegen.«
Einige der Gäste rückten näher. Einer von ihnen meldete sich zu Wort: »Ihrer Ansicht nach wurde Jim doch ermordet.«
»Ihre Version ist trotzdem möglich«, sagte Virgil. »Dieselben Fakten, die darauf hindeuten, dass er umgebracht wurde, könnten, anders interpretiert, auch einen Selbstmord belegen.«
»Aber an den glauben Sie nicht«, erwiderte Jacoby. »Das höre ich Ihnen an.«
Virgil nickte. »Stimmt. Ich
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