Virgil Flowers - 04 - Blutige Saat
ein Maßband.
Nichts.
»War bei dir was Interessantes dabei?«, fragte er Lee.
»Bilder von Jim Crocker aus ihrer Ehe. Ein paar könnten bei Gottesdiensten aufgenommen worden sein – im Freien, auf Farmen. Die helfen uns vielleicht festzustellen, wer alles in der Sekte ist.«
»Mit anderen Worten …«
»Nichts wirklich Aufregendes.«
Das zweite Schlafzimmer war bis auf eine uralte Kommode leer. In den Schubladen fand Virgil fadenscheinige Decken und Laken, ganz unten alte Winterkleidung. Er sah alles durch, ohne etwas zu entdecken. Auch im Schlafzimmerschrank hing ältere, offenbar abgelegte Kleidung. Als er die Taschen überprüfte, fiel ihm der Ablagekorb auf dem Schreibtisch auf, der ihm zuvor entgangen war. Darin lag eine weiße Karteikarte mit Einträgen, die er für Codewörter hielt:
WF – 69bugsy
Van- 1bugsy1
Amazon – 69bugsy
E-Mail – 69Bugsy
Visa – 2bugsy2
Er setzte sich an den Computer und gab »bugsy« ein, ohne Erfolg; dann versuchte er es mit »69Bugsy« und war drin.
»Wunderbar«, sagte er.
Lee Coakley trat zu ihm, als er Kathleen Spooners E-Mails aufrief, insgesamt 458 eingegangene und 366 versendete, die bis ins Jahr 1997 zurückreichten, darunter vierzig oder fünfzig aus dem vergangenen Jahr. »Sie benutzt den Computer nicht oft«, stellte Virgil fest.
Lee strich einmal kurz mit den Fingerspitzen über seinen Rücken. »Nimm dir mal den Browser vor. Mich interessiert, was sie sich im Internet ansieht.«
Trotz der alten Safari-Version gelang es Virgil nachzuverfolgen, womit Kathleen Spooner sich im Netz beschäftigte: Kochen, Gartenarbeit und Waffen, alles nicht sehr häufig.
»Nicht viel … Ich schau mir ihre Mails an«, verkündete Virgil.
Er begann mit den aktuellsten. Die wenigen interessanten hatten mit der Sekte zu tun und listeten die Treffpunkte auf, jeweils für einen Monat. Die Treffen schienen abwechselnd bei etwa einem Dutzend Farmer stattzufinden – vielleicht, weil sie den meisten Platz hatten, dachte Virgil. Bei der Zusammenkunft, die sie hatten beobachten wollen, waren siebzig bis achtzig Menschen gewesen, und nicht auf vielen Farmen stand so viel Raum zur Verfügung.
»Da ist etwas«, sagte Lee und reichte ihm ein Foto. Drei Männer, zwei von ihnen mit nacktem Oberkörper und Badehose, der dritte im T-Shirt, an einem See. »Der Linke ist Jake Flood.«
»Tatsächlich?«
»Sieh dir seinen Bauch an.«
Darauf war ein auftätowierter Arm, der aus der Badehose ragte, zu erkennen.
»Stimmt. Aber das wussten wir schon«, sagte Virgil. »Und dass Flood Liberty war, nützt uns nichts. Wir brauchen Belege, dass Rouse Liberty ist. um uns sein Haus vornehmen zu können.«
Virgil wandte sich wieder den E-Mails zu, ohne auf etwas Interessantes zu stoßen, klickte den Papierkorb an und fand ein halbes Dutzend Mails. Er öffnete sie eine nach der anderen.
In der ersten stand: »Das Ganze ist verrückt. Wir treffen uns bei Flood.«
NÄCHSTE: »Aus der Sache mit Jake sind wir fein raus. Kannst du bei Jim sein, wenn es nötig ist?«
ANTWORT: »Okay, aber das gefällt mir nicht.«
NÄCHSTE: »Du steckst auch mit drin.«
ANTWORT: »Nein. Ich hatte nichts damit zu tun.«
NÄCHSTE, einige Tage später: »Das mit Jim ist geklärt. Alles in Ordnung.«
»Sieh dir das an«, sagte Virgil.
Lee trat zu ihm und las die Mails. Virgil deutete auf die Daten: »Das ist der Tag, an dem Kelly Baker ermordet wurde, und da: ein paar Tage danach. Darum geht’s hier.«
Sie überlegte und schüttelte den Kopf. »Ein guter Staatsanwalt könnte was draus machen, aber ob das allein reicht?«
»Vermutlich nicht. Sie wollte die Mails löschen – ihr war nicht klar, dass man nach dem Löschen den Papierkorb leeren muss. Ich schicke den Computer nach Norden, lasse ihr eine Empfangsbestätigung da, auf der steht, wo er ist, und bald – übermorgen – sagen wir ihr, dass wir sie haben. Wir bieten ihr einen Deal an: Sie soll uns Rouse geben. Wenn wir nur in sein Haus könnten …«
»Wir haben nicht genug in der Hand.«
»Die Frage ist weniger, ob wir genug haben, sondern woran sie sich noch erinnert. Sie war bei Crocker, als der starb. Wenn wir uns darauf einigen könnten, sie wegen Crocker nicht zu belangen, und die Zeit begrenzen, die sie uns bei den Ermittlungen hilft … Wir müssten ihr klarmachen, dass sie entweder reden oder mit den anderen untergehen kann, ohne Aussicht auf eine weitere Chance.«
»Okay, wir haben ein Ass im Ärmel. Aber falls du recht
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