Virgil Flowers - 04 - Blutige Saat
geschnappt.‹ Wir müssen rauskriegen, in welchen Familien es Elf- und Zwölfjährige gibt. Diese Familien müssen wir uns vornehmen und die Kinder mit Leuten vom Jugendamt zusammenbringen. Bei geschulten Psychologen machen sie eventuell den Mund auf.«
Virgil nickte. »Vielleicht die Flood-Mädchen …«
Lee kehrte zu ihnen zurück. »Den Durchsuchungsbefehl kriegen wir in fünfzehn Minuten. Kathleen Spooner ist noch im Gerichtsgebäude. Wir sollten wirklich Dampf machen.«
»Wir brauchen eine Liste mit allen Mitgliedern der Kirche«, erklärte Schickel. »Lee, Sie haben eine ganze Menge Namen …«
Sie nickte. »Ein paar hat Dennis mir genannt.«
»Möglicherweise fallen mir noch welche ein«, sagte Brown.
»Eine vollständige Liste«, wiederholte Schickel. »Mit der gehe ich zu Bekannten, inoffiziell. Ich werde rauskriegen, wer jüngere Kinder hat.«
»Ich auch«, bot Brown an. »Ich habe Verwandte da draußen; die kennen sicher Leute.«
»Wir suchen nach einer Schwachstelle«, betonte Virgil.
Brown nickte. »Ich hoffe nur, dass Sie sich nicht täuschen und wir da nichts Übles ins Rollen bringen. Kindesmissbrauch ist ein großes Thema. Die Leute sind seit einer Ewigkeit hier, die meisten fleißige Farmer, die nie mit dem Gesetz in Konflikt geraten sind. Sie stammen alle aus der alten Heimat, wie meine Urgroßeltern. Die hießen Braun, B-R-A-U-N, und haben ihren Namen im Ersten Weltkrieg amerikanisiert. Anständige Leute.«
Das gab allen zu denken.
»Wir sollten uns auf den Weg zu Kathleen Spooners Wohnung machen«, sagte Virgil einen Moment später zu Lee. Und zu den anderen: »Eine Schwachstelle. Mehr brauchen wir nicht.«
FÜNFZEHN
Virgil, Lee, Schickel und eine Tatortspezialistin namens Marcia Wright fuhren mit drei Trucks zu Kathleen Spooners Apartment in Jackson, wo sie sich mit zwei Polizisten aus Jackson und Kathleen Spooners Hauswirt trafen. Die Polizisten sahen sich den Durchsuchungsbefehl an, und der Hauswirt, ein korpulenter Mann mit gewichstem Schnurrbart, gab ihnen den Schlüssel. Er wäre gern mit hineingegangen, doch sie scheuchten ihn weg. Einer der Polizisten aus Jackson verabschiedete sich, während der andere als Beobachter blieb.
Virgil wandte sich sofort Kathleen Spooners Computer zu, einem alten iMac G4, der auf einem kleinen Holzschreibtisch stand. Ein schmales Einzelbett befand sich an der Wand gegenüber dem Tisch; die weiße Tagesdecke war vergilbt und ein wenig staubig – ein Gästezimmer, das nur selten genutzt wurde, dachte Virgil.
Sein Handy klingelte. Der Techniker Marty Lopez aus St. Paul informierte Virgil: »Die DNS von den Haaren, die Sie uns geschickt haben, stimmt mit dem Speichel auf dem Penis des Mordopfers überein.«
Virgil gab die Information an Lee Coakley weiter, die sich durchs Schlafzimmer arbeitete.
»Das bestätigt, was sie uns erzählt hat«, sagte sie. »Hilft uns nicht weiter.«
»Ja. Aber egal.«
Wright schaute sich in der Küche um – Frauen versteckten Dinge gern in der Küche oder im Schlafzimmer, während Männer die Garage oder den Keller bevorzugten. Schickel, der behauptete, keine besonderen Durchsuchungsfähigkeiten zu besitzen, wählte der Vollständigkeit halber den unwahrscheinlichsten Ort, den Keller.
Der Polizist aus Jackson verfolgte das Treiben eine Weile und bot dann an, Kaffee und Donuts zu holen.
Der Computer forderte ein Passwort von Virgil, der es mit Varianten von Kathleen Spooners Namen versuchte. Ohne Erfolg. Er zog die Schubladen aus dem Schreibtisch. In einer lagen Bleistifte, Klebeband, eine Heftmaschine, eine alte Brille, Reißzwecken und Büromaterial, in einer anderen Karteikarten, Adressaufkleber, Umschläge und Schecks für ein Konto der Wells-Fargo-Bank.
Lee kam mit einer Plastikaktenbox voller Fotos aus dem Schlafzimmer. »Ich glaube nicht, dass wir hier drin viel finden werden – sieht nach Bildern aus einer Entwicklungsmaschine von Wal-Mart aus.« Sie setzte sich aufs Gästebett und nahm eine Handvoll Fotos heraus.
»Anschauen müssen wir sie trotzdem«, sagte Virgil.
»Was ist mit dem Computer?«
»Passwort. Wir schicken ihn den Spezialisten in den Twin Cities.«
Er trat wieder an den Schreibtisch. In der Aktenschublade befanden sich mehrere Mappen mit Garantiescheinen, Lohnzetteln, Bankauszügen und Quittungen; die eine unterste Schublade war voll mit Rechnungsbelegen der letzten Jahre, in der anderen waren Computerkabel, eine Schachtel mit Rollen für einen Bürostuhl, zwei Schraubenzieher und
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