Virgil Flowers - 04 - Blutige Saat
hält.«
»Unmöglich, das zu beweisen«, bemerkte sie. »Alle sind tot.«
»Möglicherweise war ein dritter Mann beteiligt, vielleicht sogar mehr«, sagte Virgil. »Was mich zur Welt des Geistes führt. Alle Beteiligten gehörten dieser Glaubensgemeinschaft an, auch Kelly und ihre Eltern. Es erhebt sich also die Frage, ob das eine Kirchensache war, etwas ganz Normales innerhalb der Kirche. Und wie viele Leute darin verwickelt waren.«
»Es ist nicht die Kirche«, sagte sie. »Es kann nicht die Kirche sein.« Auf Virgil wirkte sie nervös; vielleicht log sie.
»In der Tat, schwer zu glauben«, pflichtete Virgil ihr bei und nickte in Richtung Bibel. »Wer die Bibel ernst nimmt und an ein Jenseits glaubt, kann eigentlich nichts mit Kindesmissbrauch und Mord zu tun haben. Doch wir kennen die Probleme, die die katholische Kirche in letzter Zeit hatte … Das wird fürchterlich, Mrs. Flood. Im wahrsten Sinne des Wortes. In der Offenbarung des Johannes heißt es über das neue Jerusalem: ›Aber nichts Unreines wird hineinkommen, keiner, der Gräuel verübt und lügt. Nur die, die im Lebensbuch des Lammes eingetragen sind, werden eingelassen.‹ Werden die Mitglieder Ihrer Glaubensgemeinschaft Zutritt zum neuen Jerusalem haben?«
Sie musterte ihn wortlos.
Eines der Mädchen fragte: »Mom? Alles in Ordnung?«
»›Sie ließen nicht ab von Mord und Zauberei, von Unzucht und Diebstahl‹«, zitierte Virgil. »Und dann wäre da noch folgende Stelle in der Offenbarung des Johannes: ›Da sah ich ein fahles Pferd; und der, der auf ihm saß, heißt – der Tod -; und die Unterwelt zog hinter ihm her.‹«
Keine Reaktion. Eines der Mädchen sagte: »Ich glaube, Sie sollten gehen.«
Virgil erhob sich. »Ich habe gestern mit einer Frau gesprochen, die über Ihre Glaubensgemeinschaft Bescheid weiß. Die Sünden der Kirche könnten Sie alle heimsuchen. Retten Sie sich und Ihre Töchter, Mrs. Flood, und helfen Sie mir.«
Erst nach einer ganzen Weile schüttelte Alma Flood den Kopf. »Gehen Sie.«
Virgil bewegte sich in Richtung Tür.
»Vielleicht«, flüsterte sie.
»Was?«
»Vielleicht wird etwas passieren. Vielleicht ist der Reiter mit dem fahlen Pferd schon da.« Sie hob eine Hand und betrachtete sie im Licht der Leselampe. »Gehen Sie. Ich werde noch einmal mit Ihnen sprechen. Aber nicht jetzt.«
Die Mädchen begleiteten ihn zur Haustür.
»Sie sollten Rooney lieber nicht hier begegnen«, bemerkte Edna. »Er meint, Sie hätten einen schlechten Einfluss auf uns.«
»Ich würde gern hören, was ihr beiden wirklich denkt«, sagte Virgil. »Worüber ihr zwei in der Nacht im Bett sprecht. Dann könnten wir entscheiden, ob mein Einfluss auf euch schlecht ist, oder der von Rooney.«
Virgil entfernte sich. Als er sich umdrehte, blickten sie ihm von der Veranda aus nach. Helen bewegte die Lippen; sie redete mit Edna, ohne sie anzusehen; oder vielleicht war es auch ein Gebet. Virgil bekam eine Gänsehaut, nicht nur wegen Alma Flood und ihren Töchtern, sondern auch seines Vorgehens wegen.
Es war unfair, eine Bibelleserin mit Bibelzitaten knacken zu wollen.
Virgil schaute noch mal zum Haus zurück. »Verdammt«, brummte er und ging die Auffahrt hinunter.
Normalerweise brauchte man nach Hayfield zwei Stunden, doch Virgil schaffte die Strecke in etwas mehr als eineinhalb. Als er den Wagen vor das Haus von Holley lenkte, bog ein brauner Cadillac um die Ecke und hielt hinter ihm. Jenkins und Shrake, die Schlägertypen des SKA, stiegen aus Shrakes Cadillac, und Shrake sagte: »Wieder ein Fall, den er allein nicht schafft.«
»Habt ihr eure Waffen dabei?«, fragte Virgil.
»Scheiße, wusst ich’s doch, dass ich was vergessen habe«, fluchte Jenkins und hob die Segeltuchtasche hoch, die er in der Hand hatte. »Funkgeräte.«
Shrake sah zum Haus hinüber. »Passen wir da überhaupt alle rein?«
»Wahrscheinlich nicht«, sagte Virgil. »Ich suche mir ein Plätzchen in einem Schrank im Schlafzimmer, und einer muss in den Keller. Der Dritte wartet nebenan. Wenn das Gespräch zu Ende ist, kommt er zur Tür an der Seite. Falls wir ihn brauchen, ist er nicht weit weg.«
»Da kann er nichts hören …«
»Aber ich«, sagte Virgil. »Und ich werde brüllen.«
Louise Gordon, Dennis Brown und Schickel saßen in Holleys Wohnzimmer und schauten fern, ein paar Tüten Doritos und braune Flaschen mit Root Beer vor sich. Als Virgil klopfte und eintrat, stand Louise Gordon auf und fragte: »Machen wir’s?«
»Klar, es
Weitere Kostenlose Bücher