Virtuelle Küsse (German Edition)
Nachricht von Dominic. Also dachte er in dieser Nacht auch nicht an
mich. Stand er jetzt gerade mit Maya im Arm draußen unter dem Funkenregen des
Feuerwerks und machte Pläne fürs Neue Jahr?
>Happy New Year, Dominic. Think of you. Ganz liebe Grüsse Dani.<
Meine steifgefrorenen Finger tippten automatisch diese Nachricht und sendeten sie ab. Was
hatte ich zu verlieren? Ich nahm mir das Recht heraus in der Neujahrsnacht an ihn zu denken
und ich wollte auch dass er das wusste.
Zehn Minuten später erhielt ich von Dominic eine SMS.
>Dir auch ein gutes neues Jahr.<
Kühl. Direkt. Unpersönlich. Diese Nachricht hätte auch von meinem Chef sein können,
obwohl er mich natürlich nicht duzte.
War Dominic nicht fähig freundliche, herzliche Nachrichten zu schreiben, die einem das
Herz erwärmten und das Gefühl vermittelten, willkommen zu sein, oder wollte er nicht?
Die Kälte der Nacht erreichte mein Herz. Intuitiv beschlich mich eine furchtbare Ahnung,
und ich bekam Angst.
Ben schoß seine Raketen erst in den Himmel als alles andere vorbei war. "Die sind nur für
uns, Dani. Tradition von Ben. Jetzt können wir uns besser auf das konzentrieren was wir uns
fürs neue Jahr wünschen", sagte er.
Ich wünsche mir, dass Dominic nächstes Jahr mit mir hier steht und das Feuerwerk
bewundert, dachte ich. Ich wünsche mir dass Dominic mich so liebt wie ich ihn. Dass wir Zeit
miteinander verbringen dürfen, dass ich ihn vollständig verstehen lerne, dass er sich mir
mitteilt. Und dass wir noch viele viele schöne Nächte voller Liebe und Leidenschaft
miteinander verbringen werden. Ich sah in den verrauchten Himmel und schickte meine
Gedanken ins Universum, wie um meinen Wunsch zu besiegeln.
Seit Sylverster hatte es noch mehr geschneit und ich hörte Mr. Bosley zwei Mal täglich mit
seinem MB-Truck an meinem Carport vorbeifahren. In seiner Riesenschaufel hatte er Berge
von Schnee, die er an der nächsten Kreuzung ins Feld kippte. Zu Weihnachten hatte ich ihm
eine Flasche Sekt hinausgebracht, seither gab er sich besondere Mühe meine Ausfahrt vor
dem Carport vom Schnee zu befreien. Mr. Bosley ist nett, dachte ich, und sah vom Fenster
aus den Lichtern seines Trucks nach. Und bestimmt einsam, sonst hätte er im Supermarkt
nicht nur Bier eingekauft. Hätte er eine Frau, wäre sicher auch eine Flasche Wein dabei
gewesen.
Mein Flur war fertig mediterran gestylt, die übrige Farbe, Pinsel und Walze hatte ich in den
Keller verfrachtet.
Ob Dominic dieser Stil gefallen würde? Vielleicht hätte er auch Lust, im lila Haus ein
Zimmer in dieser Art zu gestalten. In meiner Phantasie sah ich uns beide auf seiner
"Baustelle" werkeln, uns gegenseitig lachend Farbtupfer ins Gesicht malen, und zwischendrin
nackt und schwitzend auf dem karierten Sofa liegen, in inniger, leidenschaftlicher Umarmung.
Mit Sven hatte ich mir diese Art von "Zusammenarbeit" nicht vorstellen können, mit Dominic
dagegen wäre es der Traum.
Musste man erst ein gewisses Alter haben und eine gewisse innerliche Reife, um zu wissen
was man im Leben wollte, und vor allem, mit wem ?
Ich ging hinüber zum Schreibtisch und fuhr meinen PC hoch. Wenn ich heute keine Nachricht
von Frank vorfand, würde mein Date morgen mit ihm im 'Venezia' nichts werden. Ich hatte
mir umsonst Gedanken gemacht, denn es war eine neue Nachricht von ihm da.
'Sie haben Post'. Ja ja , ist ja schon gut! Die Stimme nervte. Konnte man das nicht ändern, und
die Stimme einfach abstellen? Man sah doch auch so, wenn ein neuer Brief da war.
>Meine liebe Dani< schrieb Frank höflich, >ich hoffe Du hattest angenehme Feiertage. Mich
freut wirklich sehr Dich am 3. Januar im 'Venezia' zu treffen. Wäre Dir 14:00 Uhr angenehm?
Bitte sei so freundlich und bestätige mir den Termin bis zum abend davor, dann kann ich es
mir auch noch einrichten. Ich wünsche Dir einen schönen Abend. Mit besten Grüßen- Frank.<
Gesetzt. Höflich.Gediegen. Obwohl er mich jetzt duzte. Frank bekam von mir eine nette
Bestätigung.
Außer seiner Mail hatte ich keine weiteren Nachrichten. Nicht mal von Bob. Keine von
Thomas. Mike hatte auch nicht geschrieben. Keine Antwort von Jan auf meinen letzten Brief.
Mir wurde bewusst wie vertraut mir meine Kontakte schon waren, die sich hier in doch relativ
kurzer Zeit entwickelt hatten. Sah man von den ganzen Psychopathen einmal ab, war
"Talk&Love" eine wirklich gute Erfindung.
Was mache ich jetzt, überlegte ich.
Meine Wohnung war fertig, Micky war wohl schon in Irland, Ben arbeitete
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