Virus - Rückkehr der Vogelgrippe (German Edition)
Krankenhaus nach Stralsund, wo man eine schwere Lungenentzündung feststellte, ausgelöst durch einen viralen Infekt. Der Arzt zeigte sich besorgt und verordnete eine stationäre Behandlung. Man verabreichte Marie Antibiotika und antivirale Medikamente. Eine Probe der Rachenschleimhaut wurde routinemäßig ans Robert-Koch-Institut geschickt. Die Analyse würde in zwei Tagen vorliegen.
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Als Kalle um zehn Uhr abends am Halleschen Tor aus der U-Bahn stieg, ging es ihm gar nicht gut. Er hatte alle Zeitungen losgekriegt, und einige Euro zusätzlich bekommen. Wenn es kalt war, erinnerten sich die Leute, dass nicht jeder in der Stadt ein warmes Bett hatte, und entwickelten Mitleid.
Aber mittags war ihm zweimal so schwindlig geworden, dass er sich für eine halbe Stunde auf eine Bank im Bahnhof Alexanderplatz gelegt hatte, bis ihn die Wachmänner vertrieben hatten. Wenn er hustete, schmeckte er Blut im Mund. Und obwohl er den dicksten Mantel trug, den sie bei der Kleiderausgabe gehabt hatten, fror er entsetzlich.
Müde stolperte er am Kanal entlang. Der schmale Weg war nicht beleuchtet. Kalle sah die Pfützen nicht, und nach wenigen Minuten waren seine Schuhe durchgeweicht und die Füße eisig kalt.
Er bekam einen Hustenanfall. Erschöpft lehnte er sich an einen Baum. Seine Beine wurden schwer. Die Füße fanden im Schneematsch keinen Halt. Langsam rutschte sein Rücken an dem breiten Stamm herunter. Als er saß, schloss er die Augen. Eine große Ruhe überkam ihn. Er wünschte sich nichts mehr, als nur noch zu schlafen, einfach nur zu schlafen. Bis er wieder gesund würde. Bis es wieder Frühling würde.
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Der Rügendamm war frei. Es war nicht nur kein Stau, wie er für diese Zeit normal gewesen wäre. Es war weit und breit kein Auto zu sehen. Obwohl Rügen bis auf das Sperrgebiet um die Wittower Fähre und ein weiteres im Nordosten der Insel wieder unbeschränkt freigegeben war, hatte niemand Lust, auf die Insel zu fahren, der nicht durch seinen Beruf oder andere Gründe dazu gezwungen war.
Für die zahlreichen Hotels und touristischen Einrichtungen war das schlimm. Die Kurverwaltung versuchte, das Problem herunterzuspielen. Aber nachdem die toten Schwäne auf der Insel zum nationalen Notfall erklärt worden waren, tat man sich schwer damit, die Leute jetzt, ohne Unterstützung der Medien, wieder vom Gegenteil zu überzeugen. Es war eine trügerische Stille eingekehrt.
Krentler kannte die Insel von einem früheren Urlaub. Mit Marianne und den Kindern hatte er damals eine Woche Ferien in Dranske verbracht, das am äußersten Ende der Insel gelegen war. Aber das war im Sommer gewesen. Die Insel hatte in der Sonne grün gestrahlt, und die Ostsee hatte glitzernde Wellen an den Strand geschickt.
An der Pier der Wittower Fähre schwappte das Wasser ölig und grau um die Holzbohlen des niedrigen Stegs. Bis auf die rot-weißen Absperrbänder auf beiden Seiten des Kanals war nichts besonderes zu sehen. Alles sah aus, als würden jeden Moment die Autos um die Ecke biegen, um auf die Fähre zu fahren, oder auf den neben der Straße gelegenen kleinen Parkplatz mit Picknickmöglichkeit und Ausblick auf den Bodden.
Krentler hatte sich eine Karte der Insel besorgt, auf der alle Wasser- und Landverkehrswege eingezeichnet waren. An den zusätzlichen Messdaten der saisonalen Verkehrsströme ließ sich leicht ablesen, dass die Wittower Fähre ein Nadelöhr war und zu den wichtigsten Verkehrsknotenpunkten der Insel zählte. Hier traf sich der einzige Wasserzugang zum inneren Boddensystem mit der Fährabkürzung für Autos, die die landschaftlich schöne Nordseite der Insel besuchen wollten.
Verkehr brachte in der Regel Wärme und Müll. Beides konnte für geschwächte Zugvögel und Sesshafte notwendig zum Überleben sein. Nicht weit von der Wittower Fähre lagen weitläufige Vogelschutzgebiete, die von den Zugvögeln zum Rasten genutzt wurden. Möglicherweise hatte es die geschwächten Tiere hierher an den Rand der Zivilisation gezogen. Sie hatten eine letzte Chance gewittert, und waren dann hier verendet.
Krentler wandte sich ab. Rosen spazierte den Strand auf und ab und blickte dabei angestrengt auf den Boden, als suche er etwas.
„Er hat seine Uhr verloren.“ erklärte Schickelbach.
Krentler lachte. Er mochte Schickelbach. Auch wenn er nicht genau wußte, welche Rolle er in diesem Spiel spielte, dessen Einsätze so verdammt hoch waren. Bevor er weiter darüber nachdenken konnte, trat Schickelbach zu ihm.
„Es gibt da noch etwas,
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